Reiseblog: Meine Heldenreise – Teil 14

Freundschaft, ein kleines Paradies & Frau unterm Auto

Ich bleibe drei Wochen. Dann treibt es mich weiter.
Ich möchte unbedingt noch Zeit mit meinem Freund T. verbringen.
Außer bei seinem kurzen Besuch zu Beginn meiner Reise, hatten wir noch keine Möglichkeit dazu. Da er Familie und einen Vollzeitjob hat, richte ich mich nach ihm.
Seine Eltern haben sich für Mitte August angemeldet. Somit ist jetzt der passende Zeitpunkt für meinen Besuch.
Da ich M. versprochen habe in der dritten Augustwoche 10 Tage auf ihren Hund aufzupassen, fügt sich alles perfekt.
Emma und ich machen uns wieder auf die Reise. Sie scheint es genau wie ich kaum erwarten zu können. Ihr Motor schnurrt freudig und beschwingt. Das höre ich. Wir sind zusammengewachsen in den letzten Monaten. Sie ist im Moment das Wichtigste für mich: Transport, Bett, Schutz, Zuflucht, Kühlschrank, alles.
Ein weiteres Mal durchquere ich das Plastikmeer der Region Almeria.
Ich nehme mir vor auf dem Rückweg eine andere Strecke zu fahren.
Ich will mir das nicht mehr ansehen.
Wir halten in Torrenueva für die Nacht.
Auch hier ist es im Moment sehr voll.
Gegen Abend habe ich Lust auf eine Abkühlung im Meer.
Ich kämpfe mich durch eine Wand aus Menschen unter Schirmen, auf Klappstühlen & Liegen, Kühltaschen und anderen Standkram.
Auch im Wasser ist es voll. Ich schwimme ein Stück zwischen Stand Up Paddlern, Gummibooten, Luftmatratzen, Ball spielenden Menschen.
Morgen werde ich vor 8:00 Uhr hier sein.
Als ich am nächsten Tag früh am Strand ankomme, präsentiert sich mir folgendes Bild:
In der ersten Reihe, direkt am Wasser, stehen in Reih und Glied verwaist und aneinandergereiht Schirme, Klappstühle, Liegen und anderer Strandkram. Menschen sind keine zu sehen.
Ich vermute, die werden später, zusammen mit den Kühltaschen auftauchen.
Interessant. Dieses Phänomen gibt es nicht nur mit Handtüchern auf Poolliegen. Offenbar ist es zudem nationalitätenunabhängig.
Ich gehe schwimmen. Es ist herrlich und ruhig
Ist ja außer dem Equipment noch keiner da.
Danach widme ich mich meiner Morgenroutine, trinke Kaffee und packe zusammen.
Eilig habe ich es nicht. T. kommt erst am Spätnachmittag von der Arbeit.
Ich habe genug Zeit in Algeciras einkaufen zu gehen. Wo der Lidl ist, weiß ich. War ja wegen der NIE schon einige Male hier.
Die Auffahrt zum Grundstück ist für Emma eine kleine Herausforderung.
Es befindet sich auf einem Berg, oberhalb der Stadt. Emma schnauft.
Das letzte Stück ich steil und ein Geröllweg, aber sie schafft es.
Ich freue mich sehr alle zu treffen und werde liebevoll und freundschaftlich empfangen.
Der Ort ist wunderschön. Es ist ruhig und grün. Ein kleines Paradies.
Ich wohne in einem Gästehäuschen neben dem Pool. Genial. Morgens besucht mich Joker der Kater und holt sich Streicheleinheiten ab.
Wir quatschen viel (T. und ich, nicht Joker) und tauschen uns aus.
Ich merke, wie wertvoll es ist echte, alte Freunde zu haben. Wir lachen über früher, unsere wilden Jahre, reden über dies und das. Dankbar.
Da beide arbeiten, bin ich tagsüber meist alleine. Die Kinder haben Ferien und gehen in ein Sportcamp. Ich genieße die Zeit, die Ruhe, den Pool.
Alles.
Das Haus liegt unterhalb eines Naturschutzgebietes, wo ich ab und zu laufen gehe. Mal mit den Stöcken, mal einfach nur spazieren.
Wenn ich fünf Minuten den Berg hinauf gehe, habe ich eine sensationelle Aussicht auf den Hafen von Algeciras und die Halbinsel Gibraltar.

Einmal mache ich morgens eine kleine Wanderung und erklimme den etwas zerfallenen, steinigen Wanderweg. Es gibt eine Geschichte dazu, wie ich auf einer Hinweistafel lesen kann.

Hier oben bin ich komplett alleine.
Ich schreibe viel. Für meinen Blog, für mich, meine berufliche Zukunft.
Ich denke nach, halte meine Erkenntnisse fest.
Ich durfte im letzten Jahr Vieles loslassen.
Lebensumstände, Jobs, berufliches Wirken, Einnahmequellen, Menschen, einen Teil meiner Haare, Freundschaften, die teilweise nie welche waren.
Manches kam ohne Vorwarnung, manches kündigte sich an.
Manches schmerzte, manches brachte Erleichterung.
Alles zusammen kündigte eine komplette Neuausrichtung meines Lebens an. Im Nachhinein weiß ich, warum die Dinge genau so geschehen sind und ich bin froh für diese Herausforderungen und Lektionen.
Ich wäre heute nicht da wo ich bin, hätte ich all dies nicht erfahren.
Jetzt, mit Abstand, erkenne ich, dass alles richtig und notwendig war.
Ich fühle, dass es das immer schon war. Dass die Dinge immer genau so geschehen, wie sie für mich richtig sind, damit ich mich weiter entwickeln kann und auf meinem Weg vorankomme.
Oft konnte ich das nicht sehen und habe gelitten.
Heute weiß ich, dass Schmerz der Antrieb für Veränderung und Erweiterung ist.
Who feels it, knows it.
Ich erkenne, dass das Leben ständig mit mir spricht und mir die Richtung weist.
Ich habe verstanden, dass das was ich erfahre, ein Spiegel meiner inneren Welt ist.
Eine Reflektion meiner Überzeugungen und Muster. Wie innen, so außen. Eigentlich nichts Neues.
Kognitiv war mir das schon lange klar.
Jetzt fühle und lebe ich es bewusst.
Ich habe in den letzten Monaten erfahren können wie es funktioniert, das Leben selbst zu gestalten. Ich erfahre täglich, dass Veränderungen erst in mir geschehen müssen, bevor sie sich im Außen manifestieren können.
Wichtig ist, dass ich die Verbindung nach oben (zur Schöpferquelle, zum Universum, zur göttlichen Quelle, zum höheren Selbst…wie nennst du es?) stets pflege und meinen Kanal reinhalte.
Mit liebevollen Gedanken, Worten, Taten. So einfach ist das.
Auch wenn es abgedroschen klingen mag: Dankbarkeit und Demut sind zwei der wichtigsten Schlüssel zu Glück und innerem Frieden.
Ich freue mich sehr hier sein zu können. Ich bin dankbar (da isses wieder) für die Gastfreundschaft und Großzügigkeit. Alles.
Ich mag den Austausch, die Gespräche, die gemeinsamen Essen mit der ganzen Familie.
Am Wochenende fahren wir gemeinsam nach Barbate oder Getares an den Strand. Ich kann ein bisschen Spanisch üben und werde von den Kindern gewissenhaft korrigiert.
Getares ist ein Strand in Algeciras. Man hat von dort einen tollen Blick auf Gibraltar.
Wir erwischen einen wunderschönen Strandsonntag. Das Wasser ist klar, türkisblau und sauber. Das ist nicht immer so, erfahre ich. Gibraltar hat keine Kläranlage und leitet laut T.  alle Abwässer ins Meer. Wenn die Strömung schlecht ist, kann man beim Baden im Meer auf Windelteile und andere Unappetitlichkeiten stoßen. Naja. Da habe ich ja mal wieder Glück gehabt. …und bin schon wieder dankbar.
Einmal fahre ich alleine nach Tarifa, fülle meine Gasflaschen auf und gehe am Strand essen. Mit Blick auf die Küste Afrikas. Verwöhnprogramm.
Da ich ab dem 20. auf Babu (den Hund) aufpassen möchte, verlasse ich meine Freunde am 15.
Ich fahre durch´s Landesinnere und plane einen Zwischenstopp im El Pueblo.
Bis dorthin sind es 190 km.
Ein Teil führt an der Costa del Sol entlang. Ab Málaga sind es noch ca. 100km ins Landesinnere Richtung Granada.
Kurz vor Marbella nimmt mir auf der Stadtautobahn ein Audi SUV die Vorfahrt und fährt einfach in die Autobahn ein.
Ich lege eine Vollbremsung hin, weiche aus und habe mal wieder Glück.
Es ist kein Fahrzeug auf der linken Spur.
Der Audi fährt weiter.
Ich atme das Adrenalin weg, beschleunige und….. es wird laut.
Der Auspuff. Das Geräusch kenne ich.
Zur Erklärung: Auf der Autovía del Mediterráneo sind in diesem Abschnitt 80 km/h erlaubt. Die einfahrenden Autos tun dies aus dem Stand.
Für diejenigen die noch die Mauer in Berlin live erlebt haben:
Es ist genauso wie damals im DDR-Transit mit den Trabis.
Ich fahre mit Warnblinke und 30km/h zur nächsten Ausfahrt, verlasse die Autovía und parke Emma im Schatten. Zum Glück finde ich gleich einen geeigneten Platz.
Dann krieche ich unter sie.
Meine Vermutung bestätigt sich: Der Auspuff ist direkt am Krümmer abgebrochen und hängt herunter auf die Straße.
Durch die Vollbremsung ist das längere Teil des Auspuffs (Emma ist 5,60m lang) aus einer Gummihalterung gerissen und wurde nach vorne gedrückt.
Die Wucht hat ihn dann aus dem Krümmer gerissen.
Na prima. Und jetzt?
Es ist der 15. August. Feiertag. Alle Werkstätten und Geschäfte haben zu. „Bleib ruhig und denke nach. Ärgern hilft nix!“, sage ich mir.
Ich rufe T. an und frage ihn, ob ich gefahrlos mit dem Auto weiterfahren kann, sofern ich den Auspuff nach oben binden bzw. fixieren kann.
Er bestätigt es mir.
Dann rufe ich F. vom El Pueblo an und frage ihn, ob er einen zuverlässigen Schrauber hat, der Schweißarbeiten verrichten kann.
Auch das bekomme ich bestätigt.
Ok. Nun fehlt nur noch ein geeigneter Draht.
Ich schließe Emma ab und mache mich auf den Weg.
„Bitte schick mir einen Draht! Ich will heute unbedingt ankommen!“
Im Hinterhof eines Hotels frage ich zwei Frauen erfolglos nach Draht.
Vielleicht ein Drahtkleiderbügel? Leider nicht.
Die eine ist so nett und geht mit mir in eine Art Abstellkammer hinter dem Hotel. Dort befinden sich Waschmaschinen, Matratzen und allerlei Gerümpel. Kein Draht. Kein Kleiderbügel. Lo siento.
Ich verabschiede mich.
Als ich mich umdrehe und zurück in den Hof laufe, fällt mein Blick auf den Boden, vor die Hauswand links des Raumes.
Da liegt er: 50 cm feinster, dicker, kerzengerader Draht.
Bestellt. Geliefert.
Es ist fast ein bisschen unheimlich.
Ich hebe den Draht auf, platze fast vor Dankbarkeit (…ist echt angebracht!) und verlasse grinsend den Hof.
Zurück bei Emma ziehe ich mein Sommerkleidchen aus, ein T-Shirt und eine kurze Hose an, fahre sie auf zwei kleine Auffahrblöcke, hole meine Rohrzange (mehr Werkzeug habe ich nicht) und krieche unters Auto.
Dort bleibe ich für ca. eine Stunde.
Ich kann mehrere Männer von unten beobachten die näher kommen, sich an die Autovía vor Emma stellen, den Verkehr beobachten (?!), ein wenig hin- und herlaufen, einen Blick auf Emma und die halbe Frau darunter werfen und dann weggehen.
Es fragt niemand, ob er mir helfen kann.
Darauf warte ich auch nicht.
Ich muss mal wieder an Jamaika denken. Damals fuhr ich in meinem Mini, gestylt, in der Hoteluniform zum Jamaica Palace Hotel wo ich als Reiseleiterin arbeitete. Ich knallte in ein Schlagloch und riss mir den Auspuff ab.
Innerhalb von fünf Minuten stand eine Gruppe von Männern um mein Auto herum und palaverte, was denn zu tun sei.
Letztendlich holte ich mir einen Draht, kroch unter den Mini (Minis liegen tief!) und fixierte den Auspuff. Bevor die Jungs zu Ende diskutiert hatten, war ich fertig. Das hat mir damals viel Respekt eingebracht.
Wie dem auch sei.
Nach einer Stunde ist das Werk vollbracht. Ich bin schwarz und ölig, aber happy.
Ich schaffe es ohne weitere Zwischenfälle ins El Pueblo.
Langsam und laut komme ich an.
Am nächsten Tag fahren F. und S. mit mir zu ihrem Schrauber.
Er schweißt den Auspuff, tauscht ein Blinkerlicht aus und Emma schnurrt wieder. 50,-.
Wunderbar.
DANKE.