Reiseblog: Meine Heldenreise – Teil 11

Rote Erde, Olivenbäume & eine Fahrt in die Vergangenheit

Nachdem mir vor ein paar Tagen ein Auto die Vorfahrt genommen hat, kommt Teil 11 etwas verspätet. Durch die Vollbremsung zu der ich gezwungen war, wurde Emmas Auspuff aus einer Halterung gerissen und brach aus dem Krümmer. Die Folge waren ein Höllenlärm und ein herunterhängender Auspuff. Mittlerweile ist Emma wieder repariert.
Die vollständige Geschichte erfährst du in einem späteren Artikel.

Nun aber erst einmal weiter mit Teil 11.
Nachdem ich meine Sightseeingtour in Tarifas Altstadt hinter mir habe, überlege ich, wie es weitergehen kann.
Ich bin mittlerweile einen Monat unterwegs und mache mir Gedanken wie ein Neuanfang auch in beruflicher Hinsicht aussehen könnte. Es gibt einiges was ich kann und in dem ich gut bin.
Im Moment befinde ich mich zum ersten Mal in meinem Leben an einem Punkt wo ich weder weiß was ich will, noch was mir Freude macht.
Das ist neu und verunsichert mich.
Ich habe keine Ahnung wohin diese Reise geht.
Ich weiß, dass ich eine Meisterin darin bin mich selbst unter Druck zu setzen.
Neue Ideen können sich so nicht entwickeln. Ich ersticke sie bereits im Kern.
Wenn ich also zur Ruhe kommen möchte, muss ich damit aufhören.
Und: Vertrauen haben.

Mit diesen Gedanken mache ich mich auf den Weg in die Region Granada.
Dort möchte ich ein paar Tage im „El Pueblo“, in der Nähe von Loja, verbringen. Auf dieses Projekt bin ich neugierig.
Ich freue mich darauf dort Gleichgesinnte zu treffen, mich auszutauschen und vielleicht neue Impulse für meinen Weg zu bekommen.
Es ist immer interessant zu erfahren, wie andere Menschen leben und denken. Welche Werte sie haben, wie sie diese umsetzen und was sie antreibt. Es erweitert den eigenen Horizont.

Ich sehe Menschen gerne beim Leben zu. Ich kann viel dabei lernen. Sowohl für meinen persönlichen Weg, als auch beruflich.
Besonders interessant finde ich Authentizität. Man kann sie sofort wahrnehmen oder auch nicht.
Worte sind hörbar. Taten spürbar.
Das habe ich schon vor vielen Jahren gelernt.
Ich bin gespannt und mache mich auf den Weg.
Ich habe 230 km vor mir. Zunächst geht es ein Stück am Mittelmeer entlang bis Málaga und dann in Richtung Landesinnere. Mit jedem Kilometer wird es heißer und trockener. Die Landschaft verändert sich. Es geht bergauf, die Umgebung wird felsiger.
Ich finde das Anwesen auf Anhieb und werde freundlich und liebevoll empfangen. Ein schöner Einstieg. Emmas Platz ist toll. Der Ausblick wunderschön, die Ruhe sensationell. Besonders nachts. Außer dem Quaken der Frösche höre ich nichts.

In den 5 Tagen lerne ich verschiedenste Menschen kennen.
Alle haben Deutschland den Rücken gekehrt und sind auf der Suche sind nach einem Ort, wo sie gemeinschaftlich leben können.
Jeder bringt seine individuelle Geschichte und seine persönlichen Erfahrungen mit.
Wieder einmal bestätigt sich mir, wie wichtig eine klare, liebevolle und wertschätzende Kommunikation auf Augenhöhe ist.
Die Grundlage für jedes Miteinander.
Oft höre ich nur zu, wenn sich die anderen austauschen. Ihre Geschichten sind interessant. Jede ist einzigartig. Ich lerne viel und bin dankbar.
Die Ruhe und Abgeschiedenheit tun mir gut.
Ich überdenke Vieles und bekomme neue Perspektiven. Zusätzlich treffe ich Freunde. Auch eine Hündin ist dabei, deren Leben langsam zu Ende geht. Das ist spürbar. Ich weiß, dass ich hier nicht zum letzten Mal sein werde.

Nach fünf Tagen Hitze wird meine Sehnsucht nach dem Meer groß und ich mache mich mit Emma wieder auf den Weg.
Eine Schulfreundin hat mich eingeladen eine Weile im Haus ihrer Eltern zu wohnen. Eine willkommene Abwechslung. Ich nehme das großzügige Angebot gerne an.

Ich fahre zurück zum Mittelmeer und die Küste entlang. Die touristischen Orte erinnern mich an die Urlaube meiner Kindheit mit meinen Eltern.
In der Cala Aceite halte ich an und mache Pause.

An einem Parkplatz in der Bucht haben Menschen eine Art Gedenkstätte für die „Virgen del Mar“ und „Cristo del Mar“ (Jungfrau und Christus des Meeres) errichtet.
Überall liegen bemalte Steine, Herzen, kleine Statuen, Briefe und Zettel mit Namen und Widmungen. Da steigt in mir die Erinnerung an einen Urlaub an der Costa Brava Anfang der 70er Jahre auf. Wir waren jedes Jahr am Meer. Ich habe es geliebt.
Vor der Gedenkstätte stehend, erinnere ich mich an die Tage in Blanes. Damals hatte ich mir den Magen verdorben. Ich musste mich übergeben, bekam sehr hohes Fieber und phantasierte. Ich kann mich genau an die Einzelheiten erinnern. An die wirren Halluzinationen und Träume. Mein Vater saß an meinem Bett und weinte. Er hatte Angst um mein Leben.
Mein geliebter Vater.
In diesem Moment fühle ich wieder die Trauer.

Da höre ich sein Lachen und weiß plötzlich, dass es ihm gut geht.
Er möchte mich glücklich sehen.

Ich verewige ihn an der Gedenkstätte mit einem beschriebenen Stein.
Für eine Weile hänge ich meinen Gefühlen und Gedanken nach.
Dann fahre ich weiter.               
Am Abend finde ich einen Stellplatz in Torrenueva. Bei einem Spaziergang steige ich einen Hügel hinauf und komme an eine Hängebrücke. In der Mitte befindet sich ein durchsichtiges Stück. Es ist aus Glas. Ein Fenster nach unten. Man kann das Meer sehen wie es tief unten gegen die Felsen brandet und schäumt.
Ich erinnere mich an die Höhenangst, die ich einmal hatte und schlucke. „Los Anja! Lauf!“

Ich laufe los.
In der Mitte bleibe ich stehen, schwanke ein wenig und schaue nach unten.
Ich tue es einfach.
Ich überwinde mich.
Ein weiteres Mal.
Dann laufe ich weiter.
Vorbei an einer Frau, die sich an ihren Mann klammert und nicht weitergehen will.

Die Aussicht ist herrlich. Das Leben belohnt mich.
Danke.