Malindi, Metallgiraffen und die Freude an den kleinen Dingen
Heute fahren wir nach Malindi.
Pünktlich um 9:00 Uhr holt mich A. ab. In Watamu sammeln wir L. ein und machen uns auf den Weg. Sie möchte ihr Visum verlängern und hinterher gehen wir shoppen.
Sagen wir es mal so: Wir haben beide eine mehr oder weniger lange Einkaufsliste. In Watamu ist die Auswahl etwas begrenzt und zusätzlich vieles teuer. Shoppen an sich ist hier etwas anders zu definieren als wir es kennen.
Die Fahrt dauert eine halbe Stunde. Es sind 25 km. Wir unterhalten uns und beobachten den Verkehr.
Dort angekommen erledigen wir zunächst die Formalitäten für das Visum. Alles klappt perfekt. Keine Wartezeit, keine Probleme, Pässe raus, Stempel rein. Erledigt.
Ein wenig überrascht wie unkompliziert alles lief befinden wir uns bereits wieder in Malindis Straßenverkehr, auf dem Weg zum Klamottenviertel.
Wie es heißt, habe ich vergessen.
Ich schaue aus dem Fenster. Draußen geht es gefühlt drunter und drüber.
A. ist ein guter Fahrer und kennt die Straßenregeln. Ich bin froh, dass ich nicht fahren muss. Ich habe kein Problem mit Linksverkehr und fahre auch in Jamaika gerne Auto.
Im Moment sitze ich lieber auf der Beifahrerseite.
Die Shops, Menschen, Geräusche, Gerüche, Eindrücke fliegen vorbei.
Der Ort ist lebendig, bunt und laut.
Die Reize und Energien überfluten mich und ich tauche ein.
Mittlerweile kann ich mich ganz gut abschirmen und bei mir bleiben wenn´s um mich herum wild wird.
Alles ist sehr intensiv und einnehmend. Die Menschen, der Verkehr, die verschiedenen Shops und Beschriftungen. Ich weiß gar nicht wohin ich zuerst schauen soll.
Im Augenwinkel sehe ich einen Mann auf Knien und Händen über die verkehrsreiche Straße robben. Er hat eine Plastikschale in der Hand. Vor ihm, hinter ihm, neben ihm rollen Autos, Tuktuks, Motorränder, LKWs vorbei. Alles bewegt sich schnell und wirkt, als sei es eingespielt. Sie gleiten haarscharf an dem Mann vorbei, berühren ihn nicht. Die Szene hat etwas Surreales. Wie er es auf dem Boden kriechend über die Straße schafft. Sein rechtes Bein ist missgebildet. Der Fuß ist verdreht und steht seitlich ab.
Soll ich ihm etwas in seinen Becher geben? Jepp, das möchte ich. Ich mache das nicht oft. Grundsätzlich kaufe ich den Menschen lieber etwas ab, um sie zu unterstützen. Manchmal gebe ich auch Geld.
Dies hier ist so ein Fall. A. wendet und ich reiche dem Mann einen Schein aus dem Fenster. Aussteigen kann ich nicht da er vor der Türe auf dem Boden liegt. Er ist verdreckt und trägt verlumpte Kleidung. Als ich ihm den Schein in die Hand drücke, lacht er mich an und ich sehe in seine Augen. Er freut und bedankt sich. Nun wird es mir unangenehm. Ich will kein Aufhebens. Wir fahren weiter und erreichen nach kurzer Zeit die Straße mit den Klamottenständen.
Ich sehe mich kurz um und merke, dass ich keine Lust auf Shoppen habe. Irgendwie lädt mich die Ecke gerade nicht zum Einkaufen ein. Egal. Wir vereinbaren mit A. uns in einer dreiviertel Stunde wieder zu treffen. Wir schlendern los. Während L. in den Klamotten der Stände nach T-Shirts für ihren Sohn wühlt sehe ich mich um und mache ein paar Fotos. Es ist alles Second Hand Ware. Mir ist das schon in Watamu aufgefallen. Als ich mir in einem Laden ein paar Kleider gekauft habe. Es gibt hier viele Second Hand Geschäfte.
Das Interessante daran ist, dass es sich hier ganz offenbar um Kleiderspenden aus Europa handelt. Ich habe mir die Etiketten bereits in dem Laden in Watamu angesehen. Nun weiß ich wenigstens wo die Sachen ankommen, die wir in Deutschland in die Altkleidersammlung oder den Container geben.
Ich bin ziemlich sicher, dass der ein oder andere bei der Regierung daran verdient bevor die Sachen hier landen. Ich vermute außerdem, dass die besten Teile auf ihrer Reise hierher bereits aussortiert wurden. Egal. Wenigstens gehören die Stände Kenianern und die verdienen damit Geld. Bin gespannt, ob mir irgendwann mal eines meiner ehemaligen Lieblingsstücke hier zum Kauf angeboten wird. Wundern würde ich mich nicht.
Einer der Stände bietet Sandalen an, die aus alten Autoreifen per Hand gefertigt wurden. Die finde ich toll. Da ich nicht in Kauflaune bin und außerdem keine Lust habe einen Mzungu-Preis zu zahlen (mzungu=Weißer), lasse ich es sein und mache nur Fotos davon.
Ich frage auch einen der Bodafahrer der am Lenker seines Motorrads einen Regenschirm befestigt hat, ob ich ihn fotografieren darf. Er stimmt zu.
So macht man das in Kenia, wenn es regnet. Hat man außerdem kein Schutzblech, drapiert man eben einen Plastiksack vorne herum. Geht auch. Der Fahrer möchte für das Foto bezahlt werden. Ich gebe ihm 100 Schilling.
A. kommt und wir fahren zur nächsten Station: Einer Art Haushaltswarengeschäft. Mich erinnert es an die China-Läden in Südspanien. Nur halt auf afrikanisch.
Wir finden einiges und der Platz im Kofferraum schrumpft.
Letzte Station ist der in Kenia bekannte Supermarkt „Nivas“.
Bereits nach 4 Wochen Watamu empfinde ich beim Schlendern vorbei an den Kühlregalen und der Bäckereiabteilung ein Schlaraffenlandgefühl.
So schnell geht das. Ich muss grinsen und decke mich ein.
Ich denke unwillkührlich an die monatlichen Einkaufstouren Anfang der 90er Jahre in Kingstons Supermärkte. Das war ähnlich.
Wir sind über eine Stunde da drin.
Danach beschließen wir, nach Hause zu fahren.
Im Nachhinein hätte ich es schön gefunden die Tour mit einem entspannten Mittagessen abzuschließen.
Das werden wir beim nächsten Mal auf jeden Fall tun.
Um Malindi zu verlassen, müssen wir durch eine Art Kreisverkehr. Jeder scheint so zu fahren, wie es für ihn persönlich am kürzesten ist.
In der Mitte befinden sich auf einer bepflanzten Insel (oder so ähnlich) die Big Five Afrikas: Löwe, Nashorn, Büffel, Leopard und Elefant. Eine Giraffe und ein paar Zebras in Lebensgröße stehen dazwischen.
Alle aus zusammengeschweißten Metallstücken.
Ich schaffe es nicht rechtzeitig brauchbare Fotos zu machen und werde das nachholen.
Ein paar Meter weiter werden wir entschädigt.
Am Straßenrand sehen wir einen Elefanten, ein Nashorn und eine Giraffe stehen. Sie werden gerade lackiert.
Daneben werden wunderschöne, farbig lackierte Metalltore angeboten.
Sollte ich einmal ein Grundstück in Kenia besitzen, werde ich so ein Tor kaufen.
Wieder bin ich von der Freundlichkeit und dem Humor der Menschen berührt. Argwohn, Misstrauen und schlechte Laune scheint hier niemand zu kennen. Wir unterhalten uns mit den Handwerkern und Künstlern. Es ist witzig, herzlich und bereichernd. Einfach nur schön.
Mit diesen Eindrücken fahren wir zurück.
Zuhause packe ich meine Schätze aus und freue mich ein zweites Mal.
Dinge die noch vor 4 Wochen selbstverständlich waren, werden wieder zu etwas Besonderem.
Ich bin sehr dankbar dafür und vermisse nichts.
Ganz im Gegenteil.
Ich gewinne gerade so vieles. Andauernd.
Was für ein Glück, dass ich das erleben darf.