Endlich Meer
St. Jean de Luz, Atlantik –
über die Grenze im Baskenland –
einmal quer durch Spanien bis Madrid
Am nächsten Tag breche ich relativ früh auf und mache mich auf den Weg Richtung Atlantik.
Ich will heute unbedingt das Meer sehen!
Seit meiner Kindheit war ich jedes Jahr am Meer. 2021 das einzige Mal nicht.
Dank der wertvollen Tipps der Lkw-Fahrer komme ich an diesem Tag einigermaßen schnell voran und erreiche tatsächlich mein Ziel ohne Zwischenfälle.
In St. Jean de Luz nehme ich eine Tramperin mit. Eine alte Dame um die 70 mit drei großen Einkaufstüten. Sie trägt ein T-Shirt auf dem „Jesus t´aime!“ (= Jesus liebt dich!) steht und eine rote Hornbrille. Sie klettert umständlich auf den Beifahrersitz und schaut sich um. Ich muss erst alles frei räumen. Auf der Beifahrerseite stehen Ersatzwasserkanister.
Gesellschaft hatte ich schon länger nicht.
Ich krame im Hinterkopf nach meinem Französisch.
Ich hatte heute schon einmal eine kurze Unterhaltung. Das war an einer Mautstelle (zum Atlantik kommt man nur über diese Strecke) als mich ein französischer Zollbeamter anhielt und fragte, wohin ich unterwegs sei. Er schien neugierig und fragte mich, ob das mein Wohnmobil sei. „Mon camping-car te plaît, n’est-ce pas ?“ (Mein Wohnmobil gefällt dir, stimmt´s? – Ich habe ihn versehentlich geduzt. Hat ihn nicht gestört).
Er: „Oui, c´est très beau!“ (Ja, es ist sehr schön.)
Ich: „C´est une voiture ancienne.“ (Es ist ein Oldtimer)
Dann konnte ich weiterfahren.
Die alte Dame ist nett. Wir wechseln ein paar Worte, so gut ich es gerade hinbekomme. Ich setze sie vor ihrer Haustüre ab.
Danach finde ich ohne Probleme einen Campingplatz.
Später fällt mir ein, dass ich hier schon einmal war. Das ist über 20 Jahre her. Damals mit meinem ersten VW-Camper „Club Joker“ mit meinem geschiedenen Mann und damals noch kleinen Sohn.
Ich kann es kaum erwarten: Duschen, essen und dann endlich:
Abendspaziergang am Strand! Ich bin happy.
Der Aufenthalt ist nur kurz, der Campingplatz teuer und ich werde -wie so häufig – ein bisschen beäugt und beobachtet. Eine Frau alleine im Wohnmobil ist scheinbar eine Seltenheit.
Ich muss gestehen, dass mir bis heute (ich schreibe dies am 19. Juli 2022) keine andere allein reisende Frau mit Wohnmobil begegnet ist.
Auch hier darf sich endlich etwas verändern.
Ich verlasse auch diesen Platz einigermaßen früh. Für mich ist das meist nicht so ganz einfach, da ich mir für meine morgendliche Yoga- und Meditationsroutine gerne eine Stunde Zeit nehme und im Moment komme ich nicht vor 7:30 aus dem Bett.
Der Platz ist staubig und ich übe mein Schnellprogramm.
Danach geht´s los.
Ich betanke Emma (mir wird regelmäßig schlecht an der Tankstelle! Fast 700,- hat mich die Fahrt bis ans Ziel nach Andalusien gekostet), überprüfe nach einem komplizierten rückwärts Einparkmanöver den Luftdruck und mache mich dann auf den Weg Richtung Hendaye / San Sebastian nach Spanien.
Diese Fahrt wird abwechslungsreich.
Sattes Grün und hügelige Landschaft durch die ich auf Serpentinen hinaufkrieche im Baskenland – die baskische Sprache ist ein Kapitel für sich -, dürre Weite und Hitze im Landesinneren Richtung Madrid.
Während der Fahrt holt mich mein Kopfkino ein und ich darf mich mit Existenzthemen und anderen Emotionen befassen.
Ablenken geht nicht, wenn du 10 Stunden alleine im Auto fährst. Also lasse ich mich darauf ein und probiere meinen Ängsten auf die Schliche zu kommen.
„Vertraue auf deine Intuition und deinen Weg!“, höre ich meine innere Stimme.
Das ist nicht immer einfach, aber darum geht es bei meiner Reise.
Vertrauen in meinen Weg.
Und tun.
Einfach machen.
Ich schaffe es bis nach Madrid.
Über die App Park4Night suche ich einen Platz für die Nacht. Ich will nicht in die Großstadt hinein und ende zunächst irgendwo in der Prärie auf staubiger Piste neben einen Aroyo (= Bach). Nachdem ich offenbar weit und breit die Einzige bin die hier übernachten möchte, fahre ich nun doch nach Madrid hinein und finde einen Campingplatz.
Wow! 500km!
Ich bin fix und fertig.
Kein Tagebucheintrag an diesem Tag.
Zu müde!