Die NIE, der Levante & eine Palmenfrisur
Am nächsten Morgen fahre ich um 7:00 Uhr nach Algeciras, wo ich gut eine Stunde vor dem Termin bei der Policia Nacional ankomme.
Die Ausländerbehörde befindet sich mitten in der Stadt und die Parkplatzsituation ist so wie erwartet. Viele Autos und wenig Platz.
Ich kreise gut 25 Min. um den Block und die anliegenden Straßen. Schließlich finde ich eine an einen Zebrastreifen grenzende Lücke.
In Spanien stehen 5 m von den Fußgängerüberwegen entfernt Parkverbotsschilder die den Platz dort freihalten sollen.
Ich quetsche Emma mit einem maßgeschneiderten Rückwärtseinparkmanöver zwischen das vorne parkende Auto und das Schild. Sie steht hinten 20 cm über. Passt schon.
Ich laufe zu der Behörde und sehe schon von Weitem die Schlange die bis auf die Straße reicht. Ich dachte, mit Termin geht das ohne Wartezeit?!
Wie sich herausstellt sind es hauptsächlich Ukrainer die da anstehen.
Keiner spricht ein Wort Spanisch, daher haben alle zusätzlich einen Übersetzer dabei.
Ich melde mich bei einem Polizisten am Eingang.
Er findet tatsächlich meinen Namen auf seiner Liste. Geht doch.
Dann heißt es warten.
Ich habe Glück und komme nur 30 Min. nach dem offiziellen Termin an die Reihe. Es geht sehr schnell. Ich bin gut vorbereitet und kann in Spanisch mit dem Bearbeiter kommunizieren. Langsam zwar und ein bisschen holprig weil sein Spanisch ganz anders klingt, als das was ich kenne, aber es geht einigermaßen.
Englisch spricht hier niemand. Das kenne ich bereits aus Argentinien. Ohne Kenntnis der Landessprache hat man wenig Aussichten die Menschen und deren Kultur wirklich kennenzulernen, einen Job zu finden und mehr zu erleben, als das was die Reiseführer hergeben.
Meine Zeit hier in Spanien ist DIE Möglichkeit für mich die Sprache besser zu beherrschen.
Als ich 10 Min. später aus dem Gebäude komme, habe ich tatsächlich meine eigene NIE-Nummer!
Es ist alles glatt gelaufen. Ich kann es kaum glauben.
Ich darf jetzt in Spanien arbeiten, ein Haus kaufen und noch viele andere Dinge tun, die man als Ausländer nicht tun darf.
Ich will unbedingt hier Spanisch lernen.
In Argentinien sprechen die Menschen viel langsamer. Sie singen die Sprache regelrecht. In Spanien ist alles muy rapido und irgendwie fehlt immer die Hälfte.
So ähnlich fühlen sie vermutlich die ausländischen Schüler, die nach dem Deutschschulunterricht nach Franken kommen.
Da muss ich jetzt durch.
Ich möchte in Conil de la Frontera eine Sprachschule besuchen.
Vorher will ich allerdings noch ein paar Tage am Meer chillen.
Nach dem obligatorischen Einkauf beim Lidl (ich habe keine große Auswahl möchte ich zu meiner Verteidigung erwähnen) fahre ich beschwingt auf den Platz zurück und freue mich auf ein paar Tage Ruhe. Strandspaziergänge, viel Meer und ein Besuch in Tarifas Altstadt inklusive.
Mein Plan geht genau einen Tag auf.
Dann kommt der Levante.
Und wie der kommt. Windböen bis Stärke 9 pausenlos und tagelang.
An Schlafen ist in Emmas Alkoven nicht zu denke. Es schaukelt ununterbrochen. Hinzu kommt das Geheule des Windes. Wenn die Schaukelei wenigstens Rhythmus hätte. Aber nein. Der Wind ändert andauernd und unvorhergesehen die Richtung. Unangenehm.
Ich muss dazu sagen, dass ich 1988 in Jamaika den damals schlimmsten Hurricane des Jahrhunderts erlebt habe: Gilbert.
Windstärken bis 300 km/Std., über 300 Tote und ein extrem hoher wirtschaftlicher Schaden, ganz zu schweigen von den vielen Obdachlosen und dem Chaos. Damals riss der Sturm das Dach unserer Hütte weg. Nachdem wir die erste Phase überstanden hatten und uns im Auge des Hurricanes befanden (wir hatten ca. 2 Std. Zeit uns in Sicherheit zu bringen), konnten wir ein anderes Haus beziehen, wo wir den Rest der Nacht zusammen mit 5 weiteren Besuchern verbrachten. Es stand nur knapp 100 m vom Strand entfernt und die Wellen schlugen regelmäßig über dem Haus zusammen,
Ich hatte in dieser Nacht Todesangst und eine Nahtoderfahrung.
So schlimm wie damals war es natürlich nicht annähernd. Wenn man allerdings im Alkoven eines Wohnmobils liegt ist man auch ganz nah dran. Erste Reihe sozusagen.
Wie dem auch sei. Ich probiere mich zu arrangieren und die Zeit sinnvoll zu nutzen.
Ich wasche meine Klamotten. Sie sind innerhalb von 20 Min. trocken.
Irgendwann wird es mir zu langweilig und ich beschließe es mit einer kleinen Fahrradtour zu probieren. Mal kurz nach Tarifa?
Auf der Straße, werde ich fast vom Rad geweht. Es ist zwar Papas E-Bike, aber den Levante beeindruckt das null.
Also schiebe ich. Auch das ist anstrengend.
In Tarifa kämpfe ich mich zur Isla de las Palomas durch.
Überall fliegen Sand und Staub. Menschen halten ihre kleinen Hunde auf dem Arm, damit sie nicht wegfliegen. Ein bisschen lustig sieht das schon aus, wenn so ein Hund abhebt (ich liebe Hunde….´tschuldigung).
Ich beobachte die Kitesurfer und bin massiv beeindruckt.
Sie fliegen gut 10 m in die Höhe. Vielleicht auch höher. Ich kann schlecht schätzen. Das scheinen echte Profis zu sein.
Ich bleibe nicht allzu lange, denn es ist mühsam und macht nur bedingt Spaß.
Als ich zum Platz zurückkomme hat meine Frisur Ähnlichkeit mit einer gerupften Palme.
In Folge einer heftigen Erkrankung im Herbst letzten Jahres, verlor ich Anfang des Jahres über die Hälfte meiner Haare.
Erfreulicherweise wachsen die jetzt zwar nach, sind aktuell aber erst 10 cm lang.
Das Ergebnis ist haarsträubend (kleiner Scherz).
Ich übe mich so gut ich kann ich Geduld, trotzdem geht mir der Wind nach 3 Tagen extrem auf die Nerven. Man kann einfach nichts unternehmen. Am Strand fühlt es sich an, als würde man mit Nadeln beschossen. Es tut weh und ich habe andauernd Sand in den Augen.
Laut Wetterbericht soll der Zirkus 4 Tage andauern.
Kurzerhand beschließe ich bereits am Sonntag nach Conil de la Frontera zu fahren und am Montag in der Sprachschule zu stehen. Ich hatte das sowieso vor. Warum nicht jetzt.
Nachdem ich diesen Entschluss gefasst habe, geht es mir besser.
In der Nacht gibt der Levante noch einmal richtig Gas.
Ich stehe früh auf und wir machen uns schaukelnd vom Acker.
Bis Conil sind es nur 65 km.
Einen geeigneten Campingplatz habe ich bereits im Netz herausgesucht.
Er liegt nur knapp 3 km von der Sprachschule entfernt.
Mit jedem Kilometer den Emma und ich uns von Tarifa entfernen, wird der Wind erträglicher und ich wieder entspannter.
Ich freue mich darauf mal wieder in die Schule zu gehen und zu lernen.
IMG_1049 Kitesurfersparadies