Conil de la Frontera die Zweite
Am Samstag fahre ich gegen Mittag nach Barbate.
Ich bin dort mit T. seiner Familie und der Familie seiner Partnerin (sie ist Spanierin) zum Essen verabredet. Ich freue mich darauf und hoffe, dass ich mittlerweile mehr verstehen und vielleicht auch mal mitreden kann.
Wir treffen uns um 14:30 Uhr zum Mittagessen in einem Restaurant. Insgesamt sind wir 14 Personen.
6 Kinder und 8 Erwachsene. Der Geräuschpegel ist hoch. Normal bei Spaniern. Für mich ist es eine neue Erfahrung. Ich höre hauptsächlich zu. Ab und an sage ich auch mal etwas. Offenbar ist es nicht kompletter Unsinn, denn man antwortet mir. Que bueno.
Mittlerweile verstehe ich viel von dem was die anderen sagen und auch sprechen geht heute deutlich besser.
Der andalusische Akzent ist nach wie vor gewöhnungsbedürftig.
Die Sprachgeschwindigkeit schwindelerregend. Ich muss aufpassen, dass ich beim Zuhören nicht nach Luft schnappe. Dass andauernd Silben und ganze Satzteile fehlen macht es nicht einfacher. Trotzdem bin ich alles in allem recht zufrieden.
Nach dem Essen trinken wir im Patio des gemieteten Hauses Kaffee und essen Eis. Ich habe meines in einem cucurucho (wird kukurutscho ausgesprochen) bestellt. Das bedeutet Eiswaffel.
Ich mag dieses Wort.
Zum Abschluss gehen wir gemeinsam an den Strand.
Eine spanische Familie ist beim Strandausflug immer bestens ausgerüstet.
Mit Stühlen, Schirmen, Getränken und vielen Taschen ausgestattet treffen wir dort ein. Ich mag es, wenn so viele Leute zusammen sind. Ich komme aus einer sehr kleinen Familie und kenne es nicht, dass drei Generationen so oft und intensiv miteinander Zeit verbringen. Als ich gegen 8 zu Emma laufe bin ich ziemlich voll im Kopf von all den Eindrücken, aber glücklich.
Es war ein wunderschöner Nachmittag und ich freue mich jetzt auf Ruhe.
Der Campingplatz ist zum Wochenende voll geworden.
Jede Mengen Jugendliche mit Zelten, lauter Musik, Alkohol und Marihuana, dem Geruch nach zu urteilen.
Dann wohl eher keine Ruhe. Ich gehe mit Ohrenstöpseln ins Bett.
Als ich mich am kommenden Morgen auf meine Yogamatte begebe, fällt mir auf dem gegenüberliegenden Platz ein junger Mann auf, der gerade sein Zelt abbaut. Er packt seine Habseligkeiten auf ein Fahrrad. Interessant. Durch Spanien mit dem Fahrrad.
Er kommt zu mir herüber und fragt, ob ich Französisch spreche. In Französisch versteht sich. Für einen Moment bricht in meinem Kopf Chaos aus. Wo war doch gleich wieder das Französisch?
Ich bewundere Menschen, die mühelos zwischen verschiedenen Sprachen umschalten können.
Das Ende vom Lied ist, dass wir uns in einem Mix aus Französisch, Spanisch, Deutsch und Englisch unterhalten. Er heißt Kasim, ist Marokkaner, studiert Wirtschaftswissenschaften und war einige Monate in München. Im Moment ist er mit dem Fahrrad unterwegs nach Portugal wo sein Bruder wohnt.
Das Gespräch macht Spaß und ich fühle ein weiteres Mal, warum ich reisen so liebe. Es sind diese Begegnungen mit interessanten Menschen. Er schenkt mir „La Paix et la Guerre“ (Krieg und Frieden) von Leo Tolstoi. 1239 Seiten feinstes, anspruchsvolles Französisch. Er hat es ausgelesen und weiß nicht wohin damit. Ich nehme das Geschenk an. Ob ich mich da heranwagen werde? Mal sehen. Im Moment ist erst einmal Spanisch dran. Vielleicht kann ich es ja zu gegebener Zeit weiter verschenken oder mein Französisch aufmöbeln.
Ich revanchiere mich mit einem Kaffee, den er dankbar annimmt, bevor er sich mit seinem Fahrrad und leichterem Gepäck davon macht.
Ein erfrischender Start in den Sonntag.
Ich begebe mich zurück auf meine Matte und mache brav meine Hausaufgaben.
Die zweite Woche wird aktiv werden.
Das wird sie.
Morgens Unterricht. Nachmittags conversación. Abends Ausgehen.
Der Unterricht ist anspruchsvoll. Ich lerne und lache sehr viel.
Neben mir sitzt L. Ein ZDF-Kameramann aus einem Dorf bei Düsseldorf. Wir haben einen ähnlichen Humor und ich fühle mich manchmal 40 Jahre zurückversetzt. Schulzeit, letzte Reihe im Klassenzimmer. Quatsch machen bis die Tränen kommen.
Das Abendprogramm ist ebenfalls abwechslungsreich. Die Tapastour lecker und weinlastig. Die Gespräche interessant. Nach zwei chupitos (das sind Kurze, also spanische Schnäpschen) bin ich froh, dass ich zu Fuß unterwegs bin.
Am Dienstag habe ich mich für die Radtour angemeldet.
Wir sind knapp 4 Stunden in der Umgebung von Conil unterwegs und kommen an einigen wunderschönen Stränden und Buchten in der Gegend von Roche und Novo Sancti-Petri vorbei.
Auf dem Rückweg fahren wir oberhalb der Steilküste entlang und haben einen grandiosen Ausblick auf versteckte Buchten und das Meer. Wir sind zu fünft (vier Männer und ich).
Ich habe mein eigenes Fahrrad dabei. Die anderen leihen sich welche. Die Fahrräder haben alle kleine, hart aussehende Sportsättel.
Das fällt mir sofort auf. Ich bin froh um meinen bequemen Gelsattel und ich weiß auch warum. Einer der Mitfahrer fährt hauptsächlich stehend zurück.
Am Mittwochabend veranstaltet Andreas, der Besitzer der Schule, eine Fiesta in seinem Haus. Wir essen, tanzen, trinken und haben jede Menge Spaß. Es entstehen viele lustige Fotos. Da ich keines ohne die Zustimmung jeder einzelnen Person hochladen kann, lasse ich es sein.
Es wird spät an diesem Abend. Am nächsten Tag benötige ich ein paar Tassen Kaffee um wach bleiben zu können. Macht nix. Der Abend war es wert.
Neben der Academía ist ein kleines Café. Es ist eines der wenigen Läden, wo ich frische, leckere vegane und vegetarische Mahlzeiten auf der Karte finde. Auch die Preise sind ok. Es gibt dort sogar Hafermilch und ich meinen Café con leche di avena serviert. In Bioqualität. Eine Seltenheit.
Die Salsatanzstunde am Donnerstag fällt Gott sei Dank aus. Ich hätte zwar gerne ein paar Schritte gelernt, bin aber nach den letzten drei Tagen ziemlich erledigt.
In Nullkommanichts ist es schon Freitag. Wir bekommen unsere Zertifikate, tauschen Nummern aus und verabschieden uns.
Ich war definitiv nicht zum letzten Mal in Conil.
Emma und ich machen uns wieder auf den Weg.
Zwei Wochen an einem Platz sind definitiv genug.
Ich möchte als nächstes in die Nähe von Loja, wo eine deutsche Familie ein Projekt mit dem Namen „El Pueblo“ ins Leben gerufen hat. Sie wollen zusammen mit Gleichgesinnten eine Art Dorf gründen, wo sich jeder mit seinen Stärken und Fähigkeiten in die Gemeinschaft einbringen kann.
Regeln gibt es keine. Es wird auf Eigenverantwortung, Herzensintelligenz und respektvolles Miteinander gesetzt. Selbst denken ist gewünscht.
Das klingt hervorragend.
Ich bin gespannt auf das Projekt und die Menschen. Offen für Neues sowieso.
In Deutschland habe ich alles was sich im letzten Jahr nicht von alleine verabschiedet hat selbst beendet und hinter mir gelassen.
Ein Neuanfang steht an. Auf sämtlichen Ebenen.
Ich halte Augen und Herz offen.
Bevor ich nach „El Pueblo“ aufbreche, mache ich den geplanten Abstecher nach Tarifa um mir endlich in Ruhe die Altstadt anzusehen. Ohne fliegende Hunde und Haarverlust, versteht sich.
Es ist entspannt und schön und ich bleibe über´s Wochenende.