Reiseblog: Meine Heldenreise – Teil 18

Auf dem Weg zurück Richtung Zukunft

Als ich Cádiz über die CA 36 verlasse, sehe ich links von mir die „Puente de la Constitución 1812“ (von den Spaniern Puente de la Pepa genannt) aus dem Meer ragen.
Ich werde emotional und fange an zu heulen. Nicht hemmungslos. Eher ein bisschen vor mich hin. Sei´s drum.

Es gibt Momente, da kann und will ich nicht rational sein. Dieser ist einer davon.
Ich spüre, dass wieder ein neuer Abschnitt meines Lebens ganz nah ist. Ich fahre gerade über die Schwelle.
Da darf schon mal geweint werden.

Für heute habe ich mir 200 km vorgenommen.
Ich will in El Real der la Jara übernachten. Der Ort ist klein, unbekannt und nichts Besonderes.

Es gibt dort einen kostenfreien Stellplatz mit guten Bewertungen. Eine Burg gibt´s auch. Das reicht. Mehr brauche ich nicht für eine Nacht.

Er befindet sich mitten im Dorf in einer Seitenstraße.
Ich finde ihn auf Anhieb und bin – wer hätte es gedacht – die Einzige. Es gibt Strom und Wasser umsonst.
Die Burg ist einen kurzen Spaziergang wert. Der Ausblick ist gut.

Neben Emma stehen 3 Feigenbäume an denen überreife Früchte hängen. Viele sind bereits heruntergefallen und zerplatzt.
Leider haben sie einen Befall, daher verzichte ich darauf sie zu pflücken und einzufrieren. Gefrorene Feigen in Soja- oder Kokosjoghurt. Die Empfehlung einer Freundin. Lecker.
Kurz vor neun fällt wie auf Knopfdruck eine Heerschar Vögel über die Früchte her. Sie machen einen Höllenlärm. Es ist richtig was los. Ich kann kaum telefonieren. Kurz bevor die Sonne untergeht verstummen alle gleichzeitig. Wie auf Kommando ist es still.
Beeindruckendes Spektakel.

Die Nacht verläuft ruhig. Nach einer kurzen Runde Yoga zwischen aufgeplatzten Feigen, fahren wir weiter. Heute steht Cáceres auf der Route. Wieder 200 km. 
Ich gönne mir einen Campingplatz, denn ich habe Lust auf Swimming Pool und eine geräumigere Dusche.
Ich liege gut zwei Stunden in der Sonne.
Das letzte Mal für dieses Jahr, wie mir gerade einfällt.

Auf dem Campingplatz hat jede Parzelle ein eigenes Badehäuschen mit Dusche, Toilette und Waschbecken.
Das kenne ich tatsächlich noch nicht.
Ich gehe frühzeitig schlafen, da ich am nächsten Tag Salamanca besuchen möchte.
In einer App finde ich einen zentral gelegenen Platz wo Wohnmobile inoffiziell stehen dürfen. Gleich daneben befindet sich ein Sportplatz mit einer Wiese. Perfekt zum Yoga üben.
Obwohl ich mittlerweile in Nordspanien bin ist es noch immer schön warm.

Salamanca ist beeindruckend. Kathedralen, Monumente, Paläste wohin man schaut.

Ich laufe umher, mache Fotos und beobachte die Menschen.
Am Plaza Mayor gehe ich in einer Seitenstraße in einem vegetarischen Restaurant essen.

Wieder einmal wird mir bewusst, wie gut ich es habe.
Unnötig zu sagen, wie dankbar ich bin.
Was für eine Reise.
In diesem Moment wird mir die Quintessenz meiner Reise klar. Die Erkenntnis ist ganz unspektakulär:
ES GEHT!
Ich kann genau so leben wie ich will.
Es gibt sie, die Freiheit und Unabhängigkeit die ich mir wünsche!

Ich weiß nun auch, wie es weitergehen wird.
Ich weiß wieder, was mich antreibt und wofür ich hier bin.
Ich trinke mein Bier aus, bezahle und schlendere langsam durch die Gassen der Stadt zu Emma zurück.
Ich bin glücklich.
Und wie.

Morgen fahre ich zu D. Sie wohnt in der Nähe von Astorga bei León. Wir kennen uns aus der Punkzeit. Aus den 80ern. Sie lebt seit 30 Jahren in Spanien. Ich freue mich auf sie.
Da D. einen Outdoorladen in der Nähe des Jakobswegs betreibt, fährt sie kurz nach meiner Ankunft für zwei Stunden dorthin. Es ist gerade Hochsaison. Jede Menge Pilger. Jede Menge Kunden. Ich habe Zeit anzukommen und mich ein bisschen auszuruhen.
D. lebt in einem kleinen Dorf in einem Holzhaus im Grünen.
Es ist sehr gemütlich.

Ich fühle mich wie aus einer Welt in die andere geworfen. Vor ein paar Tagen noch am Atlantik mit Wind und Sonne satt, dann El Real der la Jara, Cáceres, Salamanca. Jetzt mitten im Grünen zwischen Weiden mit Kühen und Pferden, Katzen und Hund.
Als D. vom Laden zurückkehrt, gehen wir ihre Pferde von der Weide holen und ein bisschen spazieren. Mit dabei ist Lucky ihr Hund. Ich verliebe mich ad hock in ihn.
Jetzt habe ich zwei Lieblingshunde.
Am Abend sitzen wir in eine Decke gehüllt mit einer Flasche Rotwein beim Essen und quatschen.
Es ist, als ob wir uns ewig kennen. Tun wir auch. Wie wunderbar.