Reiseblog: Meine Heldenreise – Teil 10

Conil de la Frontera die Zweite

Am Samstag fahre ich gegen Mittag nach Barbate.       
Ich bin dort mit T. seiner Familie und der Familie seiner Partnerin (sie ist Spanierin) zum Essen verabredet. Ich freue mich darauf und hoffe, dass ich mittlerweile mehr verstehen und vielleicht auch mal mitreden kann.
Wir treffen uns um 14:30 Uhr zum Mittagessen in einem Restaurant. Insgesamt sind wir 14 Personen.
6 Kinder und 8 Erwachsene. Der Geräuschpegel ist hoch. Normal bei Spaniern. Für mich ist es eine neue Erfahrung. Ich höre hauptsächlich zu. Ab und an sage ich auch mal etwas. Offenbar ist es nicht kompletter Unsinn, denn man antwortet mir. Que bueno.
Mittlerweile verstehe ich viel von dem was die anderen sagen und auch sprechen geht heute deutlich besser.
Der andalusische Akzent ist nach wie vor gewöhnungsbedürftig.
Die Sprachgeschwindigkeit schwindelerregend. Ich muss aufpassen, dass ich beim Zuhören nicht nach Luft schnappe. Dass andauernd Silben und ganze Satzteile fehlen macht es nicht einfacher. Trotzdem bin ich alles in allem recht zufrieden.
Nach dem Essen trinken wir im Patio des gemieteten Hauses Kaffee und essen Eis. Ich habe meines in einem cucurucho (wird kukurutscho ausgesprochen) bestellt. Das bedeutet Eiswaffel.
Ich mag dieses Wort.
Zum Abschluss gehen wir gemeinsam an den Strand.
Eine spanische Familie ist beim Strandausflug immer bestens ausgerüstet.
Mit Stühlen, Schirmen, Getränken und vielen Taschen ausgestattet treffen wir dort ein. Ich mag es, wenn so viele Leute zusammen sind. Ich komme aus einer sehr kleinen Familie und kenne es nicht, dass drei Generationen so oft und intensiv miteinander Zeit verbringen. Als ich gegen 8 zu Emma laufe bin ich ziemlich voll im Kopf von all den Eindrücken, aber glücklich.
Es war ein wunderschöner Nachmittag und ich freue mich jetzt auf Ruhe.
Der Campingplatz ist zum Wochenende voll geworden.
Jede Mengen Jugendliche mit Zelten, lauter Musik, Alkohol und Marihuana, dem Geruch nach zu urteilen.
Dann wohl eher keine Ruhe. Ich gehe mit Ohrenstöpseln ins Bett.

Als ich mich am kommenden Morgen auf meine Yogamatte begebe, fällt mir auf dem gegenüberliegenden Platz ein junger Mann auf, der gerade sein Zelt abbaut. Er packt seine Habseligkeiten auf ein Fahrrad. Interessant. Durch Spanien mit dem Fahrrad.
Er kommt zu mir herüber und fragt, ob ich Französisch spreche. In Französisch versteht sich. Für einen Moment bricht in meinem Kopf Chaos aus. Wo war doch gleich wieder das Französisch?
Ich bewundere Menschen, die mühelos zwischen verschiedenen Sprachen umschalten können.
Das Ende vom Lied ist, dass wir uns in einem Mix aus Französisch, Spanisch, Deutsch und Englisch unterhalten. Er heißt Kasim, ist Marokkaner, studiert Wirtschaftswissenschaften und war einige Monate in München. Im Moment ist er mit dem Fahrrad unterwegs nach Portugal wo sein Bruder wohnt.
Das Gespräch macht Spaß und ich fühle ein weiteres Mal, warum ich reisen so liebe. Es sind diese Begegnungen mit interessanten Menschen. Er schenkt mir „La Paix et la Guerre“ (Krieg und Frieden) von Leo Tolstoi. 1239 Seiten feinstes, anspruchsvolles Französisch. Er hat es ausgelesen und weiß nicht wohin damit. Ich nehme das Geschenk an. Ob ich mich da heranwagen werde? Mal sehen. Im Moment ist erst einmal Spanisch dran. Vielleicht kann ich es ja zu gegebener Zeit weiter verschenken oder mein Französisch aufmöbeln.
Ich revanchiere mich mit einem Kaffee, den er dankbar annimmt, bevor er sich mit seinem Fahrrad und leichterem Gepäck davon macht.
Ein erfrischender Start in den Sonntag.               
Ich begebe mich zurück auf meine Matte und mache brav meine Hausaufgaben.
Die zweite Woche wird aktiv werden.
Das wird sie.
Morgens Unterricht. Nachmittags conversación. Abends Ausgehen.
Der Unterricht ist anspruchsvoll. Ich lerne und lache sehr viel.
Neben mir sitzt L. Ein ZDF-Kameramann aus einem Dorf bei Düsseldorf. Wir haben einen ähnlichen Humor und ich fühle mich manchmal 40 Jahre zurückversetzt. Schulzeit, letzte Reihe im Klassenzimmer. Quatsch machen bis die Tränen kommen.
Das Abendprogramm ist ebenfalls abwechslungsreich. Die Tapastour lecker und weinlastig. Die Gespräche interessant. Nach zwei chupitos (das sind Kurze, also spanische Schnäpschen) bin ich froh, dass ich zu Fuß unterwegs bin.
Am Dienstag habe ich mich für die Radtour angemeldet.

Wir sind knapp 4 Stunden in der Umgebung von Conil unterwegs und kommen an einigen wunderschönen Stränden und Buchten in der Gegend von Roche und Novo Sancti-Petri vorbei.
Auf dem Rückweg fahren wir oberhalb der Steilküste entlang und haben einen grandiosen Ausblick auf versteckte Buchten und das Meer. Wir sind zu fünft (vier Männer und ich).

Ich habe mein eigenes Fahrrad dabei. Die anderen leihen sich welche. Die Fahrräder haben alle kleine, hart aussehende Sportsättel.
Das fällt mir sofort auf. Ich bin froh um meinen bequemen Gelsattel und ich weiß auch warum. Einer der Mitfahrer fährt hauptsächlich stehend zurück.

Am Mittwochabend veranstaltet Andreas, der Besitzer der Schule, eine Fiesta in seinem Haus. Wir essen, tanzen, trinken und haben jede Menge Spaß. Es entstehen viele lustige Fotos. Da ich keines ohne die Zustimmung jeder einzelnen Person hochladen kann, lasse ich es sein.
Es wird spät an diesem Abend. Am nächsten Tag benötige ich ein paar Tassen Kaffee um wach bleiben zu können. Macht nix. Der Abend war es wert.
Neben der Academía ist ein kleines Café. Es ist eines der wenigen Läden, wo ich frische, leckere vegane und vegetarische Mahlzeiten auf der Karte finde. Auch die Preise sind ok. Es gibt dort sogar Hafermilch und ich meinen Café con leche di avena serviert. In Bioqualität. Eine Seltenheit.       
Die Salsatanzstunde am Donnerstag fällt Gott sei Dank aus. Ich hätte zwar gerne ein paar Schritte gelernt, bin aber nach den letzten drei Tagen ziemlich erledigt.
In Nullkommanichts ist es schon Freitag. Wir bekommen unsere Zertifikate, tauschen Nummern aus und verabschieden uns.
Ich war definitiv nicht zum letzten Mal in Conil.

Emma und ich machen uns wieder auf den Weg.
Zwei Wochen an einem Platz sind definitiv genug.
Ich möchte als nächstes in die Nähe von Loja, wo eine deutsche Familie ein Projekt mit dem Namen „El Pueblo“ ins Leben gerufen hat. Sie wollen zusammen mit Gleichgesinnten eine Art Dorf gründen, wo sich jeder mit seinen Stärken und Fähigkeiten in die Gemeinschaft einbringen kann.
Regeln gibt es keine. Es wird auf Eigenverantwortung, Herzensintelligenz und respektvolles Miteinander gesetzt. Selbst denken ist gewünscht.
Das klingt hervorragend.                                                   
Ich bin gespannt auf das Projekt und die Menschen. Offen für Neues sowieso.
In Deutschland habe ich alles was sich im letzten Jahr nicht von alleine verabschiedet hat selbst beendet und hinter mir gelassen.
Ein Neuanfang steht an. Auf sämtlichen Ebenen.
Ich halte Augen und Herz offen.

Bevor ich nach „El Pueblo“ aufbreche, mache ich den geplanten Abstecher nach Tarifa um mir endlich in Ruhe die Altstadt anzusehen. Ohne fliegende Hunde und Haarverlust, versteht sich.
Es ist entspannt und schön und ich bleibe über´s Wochenende.

 

Reiseblog: Meine Heldenreise – Teil 9

Meine erste Woche in Conil de la Frontera

Da es nur 65 km nach Conil sind, lasse ich mir Zeit.
Der Wind bläst nach wie vor ziemlich kräftig. Ich fahre langsam. Emma bietet dem Levante ordentlich Luftwiderstand und neigt sich abwechselnd nach links und rechts. Unrhythmisch versteht sich. Irgendwo neben einem Sonnenblumenfeld halte ich an und trinke Kaffee.      
Beste Entscheidung Tarifa erst einmal hinter mir zu lassen. Ich werde zurückkommen, wenn´s dort ruhiger ist windtechnisch.
Ich möchte das Centro Historico sehen und ein bisschen bummeln. Tarifa hat den Ruf einmal ein Hippiedorf gewesen zu sein. Ich habe viele alte und selbstausgebaute Wohnmobile dort stehen sehen. Ich mag diesen individuellen Stil sehr. Meine ersten Camper und Wohnmobile waren ebenfalls Selbstausbauten. Ich erinnere mich noch an unser Milkamobil. Ein Mercedes mit einem Wohnwagenaufbau in lila.
Tolle Farbe und unverkennbar.
Die modernen Mobile sehen für mich alle irgendwie gleich aus und ich vermisse manchmal ein bisschen den alle verbindenden Camperspirit von früher. Ich muss grinsen. Ich klinge schon wie meine Oma. „Früher war alles besser“. Vielleicht ist es auch nur meine Wahrnehmung, die auf einigen Erfahrungen der letzten Zeit basiert. Geschmackssache ist es ganz sicher.
Wir gondeln gemächlich weiter. Vorbei an Vejer de la Frontera, dem weißen Dorf auf dem Berg. Der Ort ist bekannt. Er liegt auf einem Hochplateau von dem aus man die Straße von Gibraltar überblicken kann. Der Altort ist komplett von einer Stadtmauer umringt und es gibt viele alte Bauten und Sehenswürdigkeiten. Für heute gebe ich mich damit zufrieden den Ort von der Straße unten zu sehen.
Während der Fahrt, hänge ich meinen Gedanken nach.
Ich denke oft an meinen Vater. Im letzten Jahr hat sich viel für mich verändert. Viele Dinge und Umstände die meinem Leben über Jahre Sicherheit und Struktur gegeben hatten, waren weggefallen. Ohne Vorwarnung. Sein Tod war der Höhepunkt einer Reihe von Ereignissen, die sehr einschneidend für mich waren. Auch wenn das Wort „Loslassen“ mittlerweile ein wenig abgedroschen klingt, kann ich doch sagen, dass es für mich der Prozess schlechthin war und noch ist.
Alles wies auf einen Neuanfang hin. Vorher durfte allerdings vieles alte und bekannte gehen und ich durfte lernen zu Vertrauen. Ohne Wenn und Aber. Ein durchaus schmerzhafter, aber sehr lehrreicher Prozess. Ich lernte einmal mehr, dass das Leben nicht böse ist, sondern mich mit den Ereignissen im Außen lediglich auf eine andere Spur bringen will. Auf meinen Weg. Ich habe das akzeptiert und kann seitdem das Leben viel besser lesen.
In Conil angekommen finde ich den Campingplatz „Los Eucaliptos“ sofort.
Wie der Name sagt, befinden sich auf dem Gelände jede Menge Eukalyptusbäume. Genug Schatten also. Zusätzlich gibt es einen Swimmingpool. Nachdem der Strand ca. 20 Gehminuten entfernt liegt, bin ich davon angetan.
Ich checke ein und suche mir einen Platz im hinteren Bereich.
Ich will wissen, wo die Sprachschule genau ist und hole das Fahrrad vom Träger.
Ich fahre den Weg ab und stelle begeistert fest, dass es nur 5 Min. dorthin sind.                                                                   
Nun darf morgen früh noch alles glatt gehen, dann drücke ich seit Langem mal wieder die Schulbank.
Ich habe in meinem Leben bereits einige Spanischkurse belegt.
Leider hat sich danach nie die Möglichkeit ergeben Spanisch auch zu sprechen. So habe ich letztendlich mit jedem Kurs wieder von vorne angefangen.
Ich stelle meinen Wecker auf 6:30 Uhr.
Der Unterricht beginnt zwar erst um 9:30 Uhr, aber ich will rechtzeitig dort sein. Außerdem brauche ich morgens ausreichend Zeit für mich.
Es fällt mir ein bisschen schwer aus der Koje zu kriechen, aber ich schaffe es. Wenn ich mir überlege, dass meine Tage 20 Jahre lang von morgens bis abends durchgetaktet waren, frage ich mich heute, wie ich das ausgehalten habe. Hamsterrad. Irgendwann funktioniert man einfach nur noch. Was für ein Leben.
Auf dem Platz ist alles ruhig. In Spanien fängt der Tag später an. Ich genieße die Ruhe und meinen Morgen.
Um 9:00 Uhr stehe ich vor der Akademía Atlantika. Auch dort herrscht spanischer Rhythmus.
Es ist niemand da, also warte ich. Um Viertel nach neun taucht Jessica auf und öffnet die Türe. Sie stellt sich vor (sie heißt Jessica) und ich erkläre ihr mein Anliegen. Irgendwann spricht mich eine der Lehrerinnen an um mein Sprachlevel herauszufinden. Es dauert nur drei Sätze. Ich habe echt Probleme mich auszudrücken. Ich komme in A2.
Die Gruppe stellt sich als passend heraus. Bunt gemischt. Von 21 (“Las Niñas”) bis 65 (ein golfspielender Pensionär) ist alles vertreten.
Wir stellen uns der Reihe nach in Spanisch vor, was mir einigermaßen gelingt.
Da ich 20 Std./Woche gebucht habe ist der Unterricht um 13:00 Uhr für mich beendet. Die Zeit ist im Fluge vergangen. Ich habe bereits am ersten Tag viel gelernt und genauso viel gelacht. Es ist sehr kurzweilig. Gefällt mir gut.
An den Nachmittagen und Abenden werden verschiedene Aktivitäten angeboten.
In dieser Woche spricht mich nur eine Stadtführung an.
Auf einen Surfkurs habe ich keine Lust.
Den Nachmittag verbringe ich am Pool und mit Spanischlernen. Wir haben sogar Hausaufgaben auf. Ich erledigen sie gerne und schreibe sie nicht, wie früher, vor dem Unterricht ab. Ein gutes Zeichen.
Die Stadtführung findet am kommenden Abend statt. Wir treffen uns um 19:00 Uhr vor der Akademía.

Eine der Lehrerinnen führt uns 2 ½ Std. durch Conil.
Ich tue mir tatsächlich schwer und verstehe manchmal nur die Hälfte. Ich gebe zu, ich habe die Sprache unter- und meine angesammelten Spanischkenntnisse überschätzt. Ernüchternde Erkenntnis.
Die Tour ist sehr schön und informativ. Ich merke, dass es für mich wichtig ist, einfach nur zuzuhören. Die Sprache in mich einsickern lassen. Es macht großen Spaß und ich erfahre viel.

Conil ist ein wunderschöner kleiner Ort. Ein Pueblo (Dorf), wie ich aufgeklärt werde. Keine Stadt! Es hat rund 22.000 Einwohner. Im Sommer kommen ca. 80.000 Touristen hinzu.

Dass Conil für den Thunfisch (atún) und die besten Tapasbars in Andalusien (vielleicht auch ganz Spaniens) berühmt ist, wusste ich nicht. Alle Restaurants werben damit und meine Mitschüler essen jeden Tag woanders. Unsere Stadtführerin Amarillo weiß sehr viel. Ich kann mir nur die Hälfte merken.
Die Hälfte von dem was ich verstehe.
Eine unserer Stationen ist „La Chanca“, die alte Thunfischfabrik. Dort erfahren wir einiges über die traditionelle Art den atún zu fangen: Die „Almandraba“. Das ist eine spezielle, traditionelle Fangmethode mit Netzen.
Die Küste Cádiz´ ist dafür weltberühmt. Ich kann die Begeisterung nicht teilen. Ich finde es brutal. Die bis zu 3 m langen und ½ Tonne schweren Thunfische werden, sobald sie dem Netz nicht mehr entkommen können, harpuniert.
Ich höre es mir an und sage nichts.
Ein Großteil der Fische wird sofort nach dem Fang nach Japan geflogen wo er auf den Fischmärkten zu unvorstellbar hohen Preisen versteigert wird.
Später erfahre ich, dass die Methode durchaus umstritten ist.
Die Gassen Conils sind ein Augenschmaus.
Kopfsteinpflaster, weiß gekalkte Häuser im maurischen Stil, Blumen, kleine Geschäfte, Bars. Andalusien pur. Ich bin sehr angetan.
Kurz vor 10 sind wir fertig. Mir schwirrt der Kopf und die Füße tun mir weh.
Alles in Allem ein wirklich schöner Abend und Tag. Ich habe viel gelernt.
Die erste Woche vergeht wie im Flug.
An den Nachmittagen gehe ich an den Pool oder auch mal zum Strand. 
Ich merke schnell, dass ich mehr Input brauche, also buche ich am Freitag für die zweite Woche 10 Wochenstunden mehr.
Diese finden am Nachmittag von 13:30 bis 15.00 Uhr in einer kleinen Gruppe von 4 Schülern statt: Conversación.
Wir reden und diskutieren. Genau was ich brauche.
Da ich mir außerdem mehr Austausch und Aktivitäten wünsche, trage ich mich auch gleich noch für alle Abendveranstaltungen der kommenden Woche ein.
Montag Tapastour, Dienstag Fahrradtour, Mittwoch Fiesta bei Andreas, dem Besitzer der Schule, Donnerstag Salsatanzen.
Wenn, dann gscheit.
Zufrieden fahre ich zum Campingplatz zurück.
Morgen bin ich in Barbate verabredet.
Auf dem Platz laufe ich in einen kleinen, dicken Spanier (ich bin 1,86 m groß), der sich mit einem Ford Galaxy Van und seiner halben Wohnungseinrichtung unter einer Plane ebenfalls im hinteren Teil des Platzes eingerichtet hat.
Er beobachtet mich seit Tagen und ich habe kommen sehen, dass er eine Kontaktaufnahme plant.
Er ist sicher nicht verkehrt, aber einfach nicht mein Typ. Hinzukommt, dass er jeden Abend stundenlang vor seinem Fernseher sitzt und Bier trinkt.
Jedem das Seine, aber mein Fall definitiv nicht.
Bisher war es mir gelungen, ihm aus dem Weg zu gehen. Jetzt gibt es kein Entkommen. Er spricht mich an und will mit mir Kaffee trinken. Außerdem erzählt er mir, dass er total beeindruckt davon ist, dass ich alleine ein so großes Wohnmobil fahre und er sei ja auch alleine.
„Ja und?“, denke ich.
Die Situation ist mir unangenehm. Ich winde mich und schaffe es, mich aus der Affäre zu ziehen. Nichts wie weg.
Er wird später vor meiner Abreise noch einmal einen Versuch starten. Ausgerechnet als ich auf Emmas Dach knie und schwitzend eine klebrige Schicht abwasche, die die Eukalyptusbäume dort hinterlassen haben, was ihn sehr beeindruckt. Ich stelle mich dumm. „No entiendo nada.“
Er geht gelassen mit meiner Absage um.
Que bueno.

Reiseblog: Meine Heldenreise – Teil 8

Die NIE, der Levante & eine Palmenfrisur

Am nächsten Morgen fahre ich um 7:00 Uhr nach Algeciras, wo ich gut eine Stunde vor dem Termin bei der Policia Nacional ankomme.
Die Ausländerbehörde befindet sich mitten in der Stadt und die Parkplatzsituation ist so wie erwartet. Viele Autos und wenig Platz.
Ich kreise gut 25 Min. um den Block und die anliegenden Straßen. Schließlich finde ich eine an einen Zebrastreifen grenzende Lücke.
In Spanien stehen 5 m von den Fußgängerüberwegen entfernt Parkverbotsschilder die den Platz dort freihalten sollen.
Ich quetsche Emma mit einem maßgeschneiderten Rückwärtseinparkmanöver zwischen das vorne parkende Auto und das Schild. Sie steht hinten 20 cm über. Passt schon.
Ich laufe zu der Behörde und sehe schon von Weitem die Schlange die bis auf die Straße reicht. Ich dachte, mit Termin geht das ohne Wartezeit?!
Wie sich herausstellt sind es hauptsächlich Ukrainer die da anstehen.
Keiner spricht ein Wort Spanisch, daher haben alle zusätzlich einen Übersetzer dabei.
Ich melde mich bei einem Polizisten am Eingang.
Er findet tatsächlich meinen Namen auf seiner Liste. Geht doch.
Dann heißt es warten.
Ich habe Glück und komme nur 30 Min. nach dem offiziellen Termin an die Reihe. Es geht sehr schnell. Ich bin gut vorbereitet und kann in Spanisch mit dem Bearbeiter kommunizieren. Langsam zwar und ein bisschen holprig weil sein Spanisch ganz anders klingt, als das was ich kenne, aber es geht einigermaßen.
Englisch spricht hier niemand. Das kenne ich bereits aus Argentinien. Ohne Kenntnis der Landessprache hat man wenig Aussichten die Menschen und deren Kultur wirklich kennenzulernen, einen Job zu finden und mehr zu erleben, als das was die Reiseführer hergeben.
Meine Zeit hier in Spanien ist DIE Möglichkeit für mich die Sprache besser zu beherrschen.
Als ich 10 Min. später aus dem Gebäude komme, habe ich tatsächlich meine eigene NIE-Nummer!
Es ist alles glatt gelaufen. Ich kann es kaum glauben.
Ich darf jetzt in Spanien arbeiten, ein Haus kaufen und noch viele andere Dinge tun, die man als Ausländer nicht tun darf.
Ich will unbedingt hier Spanisch lernen.
In Argentinien sprechen die Menschen viel langsamer. Sie singen die Sprache regelrecht. In Spanien ist alles muy rapido und irgendwie fehlt immer die Hälfte.
So ähnlich fühlen sie vermutlich die ausländischen Schüler, die nach dem Deutschschulunterricht nach Franken kommen.
Da muss ich jetzt durch.
Ich möchte in Conil de la Frontera eine Sprachschule besuchen.
Vorher will ich allerdings noch ein paar Tage am Meer chillen.

Nach dem obligatorischen Einkauf beim Lidl (ich habe keine große Auswahl möchte ich zu meiner Verteidigung erwähnen) fahre ich beschwingt auf den Platz zurück und freue mich auf ein paar Tage Ruhe. Strandspaziergänge, viel Meer und ein Besuch in Tarifas Altstadt inklusive.
Mein Plan geht genau einen Tag auf.
Dann kommt der Levante.
Und wie der kommt. Windböen bis Stärke 9 pausenlos und tagelang.
An Schlafen ist in Emmas Alkoven nicht zu denke. Es schaukelt ununterbrochen. Hinzu kommt das Geheule des Windes. Wenn die Schaukelei wenigstens Rhythmus hätte. Aber nein. Der Wind ändert andauernd und unvorhergesehen die Richtung. Unangenehm.
Ich muss dazu sagen, dass ich 1988 in Jamaika den damals schlimmsten Hurricane des Jahrhunderts erlebt habe: Gilbert.
Windstärken bis 300 km/Std., über 300 Tote und ein extrem hoher wirtschaftlicher Schaden, ganz zu schweigen von den vielen Obdachlosen und dem Chaos. Damals riss der Sturm das Dach unserer Hütte weg. Nachdem wir die erste Phase überstanden hatten und uns im Auge des Hurricanes befanden (wir hatten ca. 2 Std. Zeit uns in Sicherheit zu bringen), konnten wir ein anderes Haus beziehen, wo wir den Rest der Nacht zusammen mit 5 weiteren Besuchern verbrachten. Es stand nur knapp 100 m vom Strand entfernt und die Wellen schlugen regelmäßig über dem Haus zusammen,
Ich hatte in dieser Nacht Todesangst und eine Nahtoderfahrung.

So schlimm wie damals war es natürlich nicht annähernd. Wenn man allerdings im Alkoven eines Wohnmobils liegt ist man auch ganz nah dran. Erste Reihe sozusagen.
Wie dem auch sei. Ich probiere mich zu arrangieren und die Zeit sinnvoll zu nutzen.
Ich wasche meine Klamotten. Sie sind innerhalb von 20 Min. trocken.
Irgendwann wird es mir zu langweilig und ich beschließe es mit einer kleinen Fahrradtour zu probieren. Mal kurz nach Tarifa?
Auf der Straße, werde ich fast vom Rad geweht. Es ist zwar Papas E-Bike, aber den Levante beeindruckt das null.

Also schiebe ich. Auch das ist anstrengend.
In Tarifa kämpfe ich mich zur Isla de las Palomas durch.
Überall fliegen Sand und Staub. Menschen halten ihre kleinen Hunde auf dem Arm, damit sie nicht wegfliegen. Ein bisschen lustig sieht das schon aus, wenn so ein Hund abhebt (ich liebe Hunde….´tschuldigung).

Ich beobachte die Kitesurfer und bin massiv beeindruckt.
Sie fliegen gut 10 m in die Höhe. Vielleicht auch höher. Ich kann schlecht schätzen. Das scheinen echte Profis zu sein.
Ich bleibe nicht allzu lange, denn es ist mühsam und macht nur bedingt Spaß.
Als ich zum Platz zurückkomme hat meine Frisur Ähnlichkeit mit einer gerupften Palme.      
In Folge einer heftigen Erkrankung im Herbst letzten Jahres, verlor ich Anfang des Jahres über die Hälfte meiner Haare.
Erfreulicherweise wachsen die jetzt zwar nach, sind aktuell aber erst 10 cm lang.
Das Ergebnis ist haarsträubend (kleiner Scherz).

Ich übe mich so gut ich kann ich Geduld, trotzdem geht mir der Wind nach 3 Tagen extrem auf die Nerven. Man kann einfach nichts unternehmen. Am Strand fühlt es sich an, als würde man mit Nadeln beschossen. Es tut weh und ich habe andauernd Sand in den Augen.
Laut Wetterbericht soll der Zirkus 4 Tage andauern.
Kurzerhand beschließe ich bereits am Sonntag nach Conil de la Frontera zu fahren und am Montag in der Sprachschule zu stehen. Ich hatte das sowieso vor. Warum nicht jetzt.
Nachdem ich diesen Entschluss gefasst habe, geht es mir besser.
In der Nacht gibt der Levante noch einmal richtig Gas.
Ich stehe früh auf und wir machen uns schaukelnd vom Acker.
Bis Conil sind es nur 65 km.
Einen geeigneten Campingplatz habe ich bereits im Netz herausgesucht.
Er liegt nur knapp 3 km von der Sprachschule entfernt.
Mit jedem Kilometer den Emma und ich uns von Tarifa entfernen, wird der Wind erträglicher und ich wieder entspannter.
Ich freue mich darauf mal wieder in die Schule zu gehen und zu lernen.

IMG_1049                  Kitesurfersparadies

Reiseblog: Meine Heldenreise – Teil 7

Der südlichste Punkt Europas & wie man zu einem Tesla kommt

Die Fahrt nach Algeciras ist kurz, die Landschaft schön.
Ich fahre an Tarifa vorbei, wo ich 1986 schon einmal in einem VW-Käfer am Strand übernachtet habe. Damals wartete ich dort mit meinem Freund auf die Abfahrt der Fähre von Algeciras nach Ceuta (Marokko).
Ich will auf jeden Fall noch etwas Zeit hier verbringen, wenn die Erledigungen in Algeciras abgeschlossen sind.
Tarifa ist der südlichste Punkt Europas.
Hier treffen Mittelmeer und Atlantik aufeinander. Dem Ort vorgelagert befinden sich eine Insel (Isla de la Palomas) die sozusagen zwischen beiden Meeren liegt. Von hier aus sind es 15 km Luftlinie nach Afrika.
Man kann die Küste Marokkos vom Strand aus meist deutlich sehen.
Der Wind weht hier pausenlos. Manchmal mehr, als einem lieb ist.
Mit dem für die Costa de la Luz typischen „Levante“ werde ich noch Bekanntschaft machen. Er kann Windböen bis Stärke 10 mit sich bringen. Tarifa ist DAS Paradies für Kitesurfer.

Für heute lasse ich Tarifa rechts liegen und fahre über die Berge Richtung Algeciras.

Am höchsten Punkt (Mirador del Estrecho) halte ich an.
Die Aussicht ist atemberaubend.
Man blickt auf die Straße von Gibraltar und die Küste Marokkos.
Es ist mehr als wunderschön.
In einem für mein Empfinden sehr kleinen Gehege, leben ein Pony und ein Esel zusammen.
Ich beobachte die beiden eine Weile.
Der Esel ist frech und zwickt das Pony andauernd. Die beiden rangeln miteinander.
Ich liebe Tiere.

Insbesondere Esel und Pferde (und Hunde).

Als ich weiterfahre und mich Algeciras nähere, überkommt mich ein Glücksgefühl.
Ich habe es geschafft. 2500km. Alleine mit Emma.
In diesem Moment wird mir klar, wie wichtig es ist dem eigenen Herzen zu folgen und die Dinge dann auch zu tun.
Nicht nur davon träumen und darüber reden.
Machen.
Ohne Wenn und Aber.
Sich selbst und die eigenen Ängste überwinden.
Das ist wahre Freiheit.
Wenn man das konsequent tut, belohnt einen das Leben.
Das erfahre ich jeden Tag aufs Neue.
Für mich ist das wahrer Reichtum.
Keine scheinbare Sicherheit und kein materieller Besitz können mir das geben.
Und ganz nebenbei wachse ich innerlich.
Das spüre ich deutlich.

Ich finde die BBVA-Filiale und stelle Emma auf dem Parkplatz eines Dicounters ab.
In der Bank stehe ich 45 min Schlange und warte darauf an die Reihe zu kommen.
Die Situation erinnert mich an meine Bankbesuche in Jamaika als ich in den 90ern dort lebte. Ich musste regelmäßig bis zu zwei Stunden für eine Abhebung anstehen. Die Erinnerung daran lässt mich lächeln. Jamaika.
Hier bin ich allerdings in Europa. Interessante Erfahrung.
Die Angestellte braucht gut 20 Minuten bis alle Daten erfasst sind, ich die € 9,85 bezahlt habe und das abgestempelte Formular in den Händen halte.
Geschafft.
Ich gehe zum Lidl einkaufen (schon wieder) und telefoniere auf dem Parkplatz mit Dirk.
Er ist Belgier und füllt in Marbella Gasflaschen verschiedener europäischer Länder auf. Ich habe ihn über eine Telegramgruppe gefunden. Gasbottles International Ltd. nennt sich seine Firma. Ich vereinbare spontan einen Termin mit ihm am Nachmittag und mache mich direkt auf den Weg. Es sind 80 km die Mittelmeerküste entlang.

Da ich gut in der Zeit liege, halte ich bei Estepona an einem Strand an und hüpfe ins Meer. Badewannengefühl ohne Wellen und sehr salzig. Auch schön. Ganz anders als der Atlantik.
Dirk kommt pünktlich zum vereinbarten Ort in einem Tesla angefahren. Ich übergebe ihm meine leere Gasflasche und er bringt mir nach 15 min eine gefüllte zurück.
43,- €. Ich schlucke.
Aha. So kommt man also zu einem Tesla.
Ich weiß, dass ich eine andere Lösung finden muss. Für diesen Betrag bekomme ich in Deutschland drei Füllungen.
Im Moment habe ich keine Wahl.
Wir plaudern noch ein bisschen und ich mache mich auf die Rückreise. Ich will nach Tarifa und dort ein paar Tage auf einem Campingplatz verbringen.
Die Fahrt verläuft ohne Zwischenfälle. Ich bin verschwitzt und müde.
Ich finde einen Campingplatz mit Strandzugang bei Tarifa und checke ein.
Als ich auf meiner Parzelle einparke, leuchtet Emmas Batterielicht.
Na super. Öfter mal was Neues.
Das Leben prüft mich offenbar gerne und häufig in diesen Tagen. Ich bleibe ruhig und vertraue darauf, dass ich auch hier eine Lösung finden werde.
Auf dem Platz arbeitet Antonio. Wie ich im Gespräch erfahre, hat er über 20 Jahre in der Dominikanischen Republik gelebt. Sozusagen um die Ecke von Jamaika. Wir verstehen uns. Er ist einer dieser Menschen die Ruhe ausstrahlen und immer einen guten Rat haben. Er spricht fließend Deutsch, Italienisch, Englisch und natürlich Spanisch. Dafür bewundere ich ihn. Ich finde das beeindruckend, denn auch ich spreche und lerne gerne andere Sprachen..
Wenn du ein Problem hast, frag Antonio!
Er kennt eine gute Werkstatt in Tarifa und vermittelt mir am nächsten Morgen dort einen Termin.
Er ist es auch, der mir einige Tage später eine Tankstelle im Ort nennt, wo ich meine deutschen Gasflaschen auffüllen lassen kann zu 1,- € pro Liter.
Auf dem Campingplatz „Rio Jara“ bin ich jedenfalls nicht zum letzten Mal.
Ich stehe also am nächsten Morgen um 9:00 Uhr in der Werkstatt.
Juan Antonio lässt sich von mir das Problem erklären. Die Lichtmaschine hatte ich erst vor 2 Jahren generalüberholen lassen. Ich schaffe es ihm dies in Spanisch mitzuteilen.
Er schaut in Emmas Motorraum und sagt mir dann, dass sie eine neue Lichtmaschine braucht. Ich bin etwas skeptisch, vertraue dann aber auf mein Bauchgefühl. Er prüft seinen Warenbestand im Rechner und stellt fest, dass er eine neue in Algeciras vorrätig hat. Ich erhalte einen Kostenvoranschlag und gebe ihm den Auftrag. Der Preis ist ok.
Danach gehe ich zum Strand und genieße die Zeit in einem Strandkaffee.
Man kann Afrika ganz klar erkennen heute.
Es ist immer wieder beeindruckend.
Als ich um 13:30 Uhr zurückkomme, ist die Reparatur fertig.
Emma hat einen neuen altenador, ich 374.- € weniger, das Batterielicht ist aus und ich kann es kaum glauben.
Wie gut, dass ich mich nicht aufgeregt und mir Sorgen gemacht habe.
Hätte sich nicht gelohnt.
Ich kann am darauffolgenden Tag zu meinem Termin bei der Policia Nacional in Algeciras fahren.

 

Reiseblog: Meine Heldenreise – Teil 6

Drei Tage Auszeit

Ich verbringe drei Nächte (und Tage) an diesem wunderschönen Ort und weiß, dass ich nicht zum letzten Mal hier bin.
Am Morgen übe ich Yoga in den Dünen, was eine Herausforderung darstellt. Überall Sand und weicher Untergrund. Aber das macht nichts. Es ist einfach nur schön und etwas ganz Besonderes in der Natur zu üben und zu meditieren.
Den Tag verbringe ich mit Lesen, Strandspaziergang, essen und herumsitzen.
Am Freitagmittag kommt mein alter Freund T. vorbei, der seit gut 15 Jahren in Andalusien lebt.
Er ist das Wochenende auf einem Karateseminar in der Nähe. Wir gehen am Strand spazieren und in einem Restaurant zum Essen.

Ich genieße die Gesellschaft, die Gespräche und einfach alles.
Diese drei Tage kommen mir viel länger vor. Ich mache lange Strandspaziergänge und bin dankbar und glücklich, dass ich diese Reise mache. Machen kann.
Wenn ich am Meer bin fällt immer alles von mir ab.
Es ist eine Art Dauermeditation für mich.
Es genügt mir das Rauschen zu hören, im Wasser zu laufen, aufs Meer hinauszuschauen den Wind zu spüren.
Hier am Atlantik bläst der immer. Windstille habe ich hier noch nie erlebt. Dafür schon Windstärken bis 9 oder 10. An der Costa de la Luz bläst gerne mal der Levante. Auch den durfte ich bereits kennenlernen.
Die Zeit fliegt dahin. Der Samstag kommt und dann ist es auch schon wieder Zeit weiter zu fahren.                                                
Am 08.06.2022 habe ich in Algeciras den Termin wegen meiner NIE-Nummer.
Diese Nummer braucht man in Spanien für absolut alles. Kontoeröffnung, SIM-Kartenkauf, Jobsuche, Immobilie.
Für alles was einigermaßen wichtig ist.
Da ich mich unter anderem auf dem Arbeitsmarkt umsehen möchte, brauche ich diese Nummer.
Für die NIE muss ich bei einer Bank eine Gebühr (TASA) entrichten und ein Formular abstempeln lassen. Das möchte ich am Montag erledigen.
Wo ich die kommenden drei Tage mit Emma sein werde, ist noch nicht klar. Ursprünglich hatte ich gedacht, ich könnte bei Freunden stehen. Da die Besuch bekommen überlege ich mir etwas anderes. Ich möchte nicht mit Emma ins Zentrum fahren. Mit einem Wohnmobil in der Innenstadt einen Parkplatz zu finden, macht keinen Spaß.
Ich überlege mir daher, erst einmal Richtung Tarifa zu fahren und dann am Montag die TASA zu erledigen. Ich werde schon eine Lösung finden.
Im Internet sehe ich mir die Campingplätze an, die auf der Strecke nach Tarifa liegen. Ich muss Entsorgen, soll heißen Grauwasser ablassen, Frischwasser tanken und WC reinigen.
Es gibt einige Plätze in der Gegend.
Ich verabschiede mich von Micha, seinem Hund und von Möhre und wünsche ihm alles Gute. Er wird das nächste Jahr mit Inselhopping auf den Kanaren verbringen.
Emma und ich starten am Sonntag.
Der Platz hatte sich über´s Wochenende gefüllt. Wie gut, dass ich am Donnerstag bereits hier war und in der ersten Reihe stehen durfte.
Bis Tarifa sind es 100km. Ich kann mir daher Zeit lassen und fahre vormittags los.
Spontan entscheide ich mich Vorort für den Campingplatz „Torre de la Pena“, der am Meer liegt und einen Swimmingpool hat. Da ich am frühen Nachmittag ankomme, kann ich noch Wäsche waschen, entsorgen und mich eine Weile an den Pool legen.

Ich komme mit einer jungen Frau ins Gespräch, die mit ihrem Mann und Baby im Womo unterwegs ist. Es stellt sich heraus, dass sie aus meiner Heimatregion kommen und das gleiche „Gasproblem“ wie ich mit Emma haben. Sie konnten es allerdings bereits lösen, da ihnen ein Paar aus Deutschland deren zweiten Adapter verkauft hat. Gut zu wissen. Es gibt Adapter. Notfalls aus Deutschland bestellen.
Dieses Paar (das ihnen den Adapter verkauft hat) treffe ich dann eine Woche später auf einem Campingplatz in der Nähe von Tarifa. Wir gehen abends gemeinsam zum Essen und sprechen über die verschiedenen Gassysteme in Deutschland und Spanien. Der Mann erzählte mir, dass er einem jungen Paar auf einem Campingplatz einen Gasflaschenadapter verkauft hatte.
Eine witzige kleine Konizidenz.
Zur Erläuterung: In Spanien verwendet man andere Gasflaschen bzw. andere Aufsätze/Druckventile als in Deutschland. Ich habe bei meiner Abreise nach Spanien an vieles gedacht. Daran nicht. Ich habe noch eine kleine volle Flasche und beginne mich nach einer Lösung umzusehen (..die ich mittlerweile natürlich gefunden habe).
Ich reserviere mir für den Abend einen Tisch im Restaurant am Meer und verwöhne mich ein bisschen mit einer Riesenpizza und Bier.
Am nächsten Morgen will ich nun doch direkt nach Algeciras fahren. Ich suche im Netz eine Filiale der BBVA, in deren Nähe ich Emma gut parken kann. Ich finde eine die außerhalb der Innenstadt, in einer Art Einkaufsgebiet liegt. Perfekt.

So vergeht dieser Tag unspektakulär. Ich bin froh, wenn ich in der kommenden Woche alles erledigt habe.

Tagebucheintrag am 05.06.2022:
Morgen früh fahre ich nach Algeciras um die Gebühr für den NIE-Antrag zu bezahlen. Ich hoffe, dass alles glatt geht.
Meine Gasflaschen müssen aufgefüllt werden. Die haben hier ein anderes System und ich keinen Adapter. Immer wieder eine neue Herausforderung und Prüfung. Naja. Wird schon werden. Ich merke, dass ich mir immer wieder Gedanken mache, ob alles funktionieren wird und es mir dann doch gelingt loszulassen. Ich bin sehr dankbar für diese Reise und gespannt, was noch alles kommt.
Ich freue mich.

Reiseblog: Meine Heldenreise – Teil 5

Auf zur Costa de la Luz: Mérida – Sevilla – Cádiz

Heute habe ich nur noch 300km vor mir, dann bin ich endlich an der Costa de la Luz!
Ich bin ziemlich beschwingt, als ich den Campingplatz bei Mérida verlasse.
Verglichen mit den bisherigen Etappen sind 300km nichts.
Ich sehe mir die Tour auf der Karte an, gebe sie ins Navi (Handy) ein und fahre los Richtung Autobahnauffahrt.
Ich nehme eine Abzweigung zu früh und fahre erst einmal in die falsche Richtung.
Madrid?? Hilfe! Da komme ich doch her!
Also gut. Nächste Abfahrt raus (die kommt nach ca. 10km), auf die andere Seite, Richtung A5.
Jetzt aber.
Ich entspanne mich langsam wieder und mache das Navi aus.
Brauche ich nicht. Ich weiß ja wohin ich muss. Bis Sevilla sind es noch ungefähr 190km, bis dahin lasse ich es aus.                                                                   
Das Erlebnis mit der Policía Nacional Tráfico war mir eine Lehre.
Mittlerweile habe ich mich mit diesem Vorfall versöhnt. Handy in der Hand beim Fahren ist ungut und kann gefährlich werden. Das stimmt natürlich. Wer weiß, wovor mich dieser Schuss vor den Bug bewahrt hat.
So fahren wir dahin, Emma schnurrt, wir kommen super voran.
Es geht mir gut und ich freue mich darauf heute endlich einmal früher anzukommen und nicht so müde zu sein wie all die Tage zuvor.
Vielleicht heute Abend irgendwo essen gehen? Gute Idee!
Wir rollen dahin und ich freue mich, dass wir bereits 70km hinter uns haben. Prima! Läuft!
Schilder fliegen vorbei. Ein blaues Schild mit den EU-Sternen: Portugal.
Portugal???
Scheiße! Das kann doch gar nicht sein! Die portugiesische Grenze liegt doch gar nicht auf meinem Weg?!
So schnell wie möglich runter von der A5 und irgendwo anhalten!
Gesagt, getan.
Ich schaue auf die Karte, orientiere mich und es dauert ein paar Minuten bis ich im Kopf sortiert habe, was passiert ist:
Die A 66 führt nach Sevilla, nicht die A5. Die führt direkt nach Portugal.
Ich bin zunächst genervt von meiner Unachtsamkeit und davon, dass ich mit diesem Umweg bestimmt 1 ½ Stunden verloren habe.
So ein Mist!    
Also schalte ich das Navi wieder an und gebe Sevilla ein. Ich checke die Route drei Mal und überschlage die bereits gefahrene Strecke. Alles in allem machen wir einen Umweg von ca. 100 km.
Also doch wieder 400km. Zu früh gefreut.
Einfach mal aus Versehen nach Portugal gefahren.
Ich muss lachen und zwar ziemlich. Über mich selbst und die Situation.
Wenigstens habe ich meinen Humor nicht verloren.
Es dauert fast eine Stunde, bis wir über kleine Sträßchen zurück zur A66 kommen. Als wir endlich richtig sind, brauche ich eine Pause.
Vom heutigen Startpunkt sind wir nicht allzu weit weg. Aber wenigstens jetzt auf der richtigen Autobahn.
Kaffeepause und noch einmal über meine Schnarchnasigkeit gelacht.
Danach kommen wir ohne Zwischenfälle voran und an Sevilla vorbei.
Von dort sind es noch ungefähr 120 km bis Cádiz.
Ich will unbedingt über´s Wochenende irgendwo frei am Meer stehen!
Ohne Campingplatz. Ob das noch geht wie früher? Wild campen?
Über eine App finde ich einen eingezeichneten Platz. Es sieht eher aus wie ein Parkplatz und liegt direkt am Meer auf der Straße die Cádiz mit dem Festland verbindet.                                    
Die letzten 50 km ziehen sich wie Kaugummi. Ich bin verschwitzt, müde und ungeduldig.
Hoffentlich ist der Platz gut! Mit Campingplätzen sieht es in der Gegend nämlich ziemlich mau aus.
Dass ich müde bin, brauche ich mittlerweile nicht mehr zu erwähnen. Ohne meine täglichen Yogaübungen käme ich vermutlich weder ins Auto rein, noch in mein Bett hoch (ich schlafe im Alkoven – das ist der Teil über der Fahrerkabine; man klettert über eine kleine Leiter hinauf).
Der Stellplatz hat keine Adresse. Nur Koordinaten. Ich bin gespannt. Und mal wieder skeptisch. Wer weiß, wo ich da lande. Habe ja bereits einige Erfahrung sammeln können.
Ich fahre von der Autobahn ab und folge dem Navi. Noch 3km!
        Cádiz hat eine besondere Lage. Die Stadt befindet sich auf einer Art Insel und ist über zwei „Brückenstraßen“ und ein schmales Stück, auf der sich die CA 33 befindet, mit dem Festland verbunden.
Der Platz, der mir in der App angezeigt wird befindet sich an der CA 33.
Im Meer sozusagen.
Ich fahre über eine dieser Brückenstraßen, winde mich die Straße entlang und befinde mich plötzlich direkt am Meer.
Ich fahre langsamer und schaue hinaus. Da stehen tatsächlich drei oder vier Wohnmobile auf einem Sandplatz. Ob das der Platz ist?     
„Sie haben ihr Ziel erreicht“, tönt mein Navi. Ich bin bereits vorbei. Na gut. Dann drehe ich eine Runde. Fahre also bis zum Festland, dann eine Schleife und wieder zurück. Sehe den Platz von der Gegenfahrbahn aus.
Wow. Echt direkt am Meer. Bestellt und geliefert.
Ich habe perfekt manifestiert.
Ich drehe also die Runde und fahre diesmal langsam, damit ich die Einfahrt nicht verpasse.
Es stehen schon vier Mobile dort. Alles ältere Modelle. Ich erkenne ein belgisches, ein niederländisches, ein deutsches und ein spanisches Nummernschild.

Zwischen den Belgiern und dem Holländer ist noch Platz.
Es ist perfekt.
Ich kann es fast nicht glauben.
Ich steige aus und spreche den Typen, der vor dem deutschen Wohnmobil mit seinem Hund sitzt, an und frage ihn, ob man hier problemlos stehen kann.
Er erklärt mir, dass er bereits seit 2 Tagen hier steht und es keine Probleme gäbe, solange es nicht zu viele Mobile würden.
Später lerne ich ihn kennen. Er heißt Micha, sein Auto „Möhre“ (wegen der Farbe) und er ist auf dem Weg auf die Kanaren.
Ich richte mich erst einmal ein, dusche (diesmal in Emma – ich freue mich, dass ich autark bin) setze mich dann vor Emma und komme innerlich an.

In dieser Nacht schlafe ich mit Meeresrauschen ein und wache am Morgen mit dem Blick aufs Meer auf.
Ich finde,ich habe das verdient.

 


Tagebucheintrag am 02.06.2022 um 23:00 Uhr:
Ich stehe am Meer bei Cádiz.
Toller Platz.
Meeresrauschen zum Einschlafen.
Heute versehentlich nach Portugal gefahren.
Kein Kommentar.
Buenas Noches.

So schön ist es hier…..      

 

Reiseblog: Meine Heldenreise – Teil 4

Von Madrid nach Mérida – eine Etappe ohne Zwischenfälle (darf auch mal sein)

1x quer durch Frankreich.
1x quer durch Spanien.
Alleine mit allen Aufs und Abs …und mit Emma, der treuen Seele. 🚌
Noch ca. 300km bis zur Costa de la Luz.
Ich bin hundemüde.
Mein Rücken tut weh, mein Knie schmerzt und mein Hintern auch.

Die 340km die ich an diesem Tag fahre, sind ein Klacks verglichen mit der Strecke des Vortags.
Heute fahre ich ausschließlich Autobahn.            
Mautfrei, versteht sich.
Die Landschaft ist relativ eintönig und hat trotzdem etwas Besonderes.
Die Natur präsentiert sich trocken und karg mit vielen Olivenbaumhainen.
Auffällig ist ein Himmel mit eindrucksvollen Wolken.
Ähnlich habe ich ihn in Südamerika/Argentinien erlebt.

 

Ich mache stündlich Pause um ein paar Schritte zu laufen und etwas Koffein nachzufüllen.
Ohne Kaffee geht es gerade nicht.
Mein Körper schmerzt von der Sitzerei und ich werde schnell müde.

Es ist mittlerweile richtig heiß. Draußen und im Auto fast noch mehr.
Ich bin das nicht mehr gewöhnt, stelle ich fest.
Eine Klimaanlage hat Emma nicht. Ich setze sie (die Klimaanlage) ziemlich weit oben auf meine Liste mit den Reparaturen und Verschönerungsarbeiten (bei einem Oldtimer hat man die immer).

Ich will nicht herumjammern. Grundsätzlich mag ich es warm. Im Auto vor mich hin köcheln und kleben gehört allerdings nicht zu den Dingen die ich toll finde.
Ich ertrage es stoisch und bin froh, dass das größte Stück geschafft ist.

Auf der Autobahn geht es strikt geradeaus.           
Viel Zeit zum Nachdenken.
Mir ist es manchmal etwas zu viel, aber was soll ich anderes tun.
Es ist eine Reise ins Ungewisse. Ohne doppelten Boden und Auffangnetz.
Ich weiß, dass ich sie machen soll und dass alles richtig ist.
Das spüre ich ganz deutlich!
Ich fühle, dass ich mich auf meinem Weg befinde.
Ich bin gespannt, wohin er mich führt.
Trotzdem rattern in meinem Kopf immer wieder dieselben Fragen (siehe Blog Teil 1).

Der Trip ist mein „Surrender Experiment“.
Dieses Buch von Michael Singer hat mich sehr inspiriert.
Es fand seinen Weg zu mir im Dezember 2021. Auch er will wissen, was sich hinter den „Stimmen im Kopf“ verbirgt.
All diese leisen Kommentare und Bemerkungen mit denen man so leicht in einen inneren Dialog geht.
Was ist da, wenn die Stimmen Schweigen?
Wer oder was verbirgt sich dort?

Ich sehne mich nach Stille im Kopf. Genauso wie Michael Singer.
Er kam auf diese Weise zum Kriya Yoga. Zur Meditation.
Ich kann das Buch sehr empfehlen.
Meditieren auch. Das sowieso!
Jeder Mensch sollte die Stille suchen in sich selbst. Sie birgt ein unglaubliches Potential zum Wachsen.
In uns, in der Stille, finden wir die Antworten und das wonach wir alle suchen.

Das ist jedenfalls meine persönliche Erfahrung.

Ich liege gut in der Zeit und werde, sollte alles weiterhin reibungslos funktionieren, vor meinem Termin in Algeciras ein paar Tage Zeit haben um irgendwo am Meer zu entspannen nach der langen Reise.
Außerdem möchte ich mich mit einem guten, alten Freund treffen, der seit vielen Jahren in Andalusien lebt.

Ich freue mich darauf.          

Ich komme gut voran und treffe tatsächlich am Nachmittag in Mérida ein.
Es darf auch mal alles glatt laufen.
Laut meiner App soll es hier einen Wohnmobilstellplatz geben. Nach meiner Erfahrung in Madrid, bin ich allerdings skeptisch.
Erst mal schauen.
Der Platz ist so, wie ich die spanischen Wohnmobilstellplätze später noch kennenlernen werde:
Kein Schatten, mitten in der Stadt mit aufgeheiztem Betonboden, schmutzig, umgeben von lauten Straßen, Geschäften und Bars.
Darauf habe ich keine Lust.
Ich beschließe daher auf den Campingplatz zu gehen, an dem kurz vor Mérida vorbeigefahren bin.
Vorher kaufe ich ein. Beim Lidl. Ich freue mich tatsächlich darüber.
Eigentlich stehe ich nicht auf Discounter.
Nach der Zeit alleine lösen die bekannten, deutschen Produkte in mir eine Art „heimeliges Gefühl“ aus. Schon merkwürdig, wie ich so gestrickt bin.

Die Preise gefallen mir. In Spanien liegt das durchschnittliche Einkommen bei ungefähr 1000 – 1200,-  €/  Monat. Aus diesem Grund sind offenbar einige Lebensmittel günstiger als in Deutschland.
Noch.
Ich packe meinen Kühlschrank voll und fahre dann zu dem Campingplatz.
Er liegt in einen Eukalyptuswäldchen.          
Alles ist etwas ungepflegt, aber ok und günstig.
Angrenzend leben ein Pferd, 2 Ziegen und ein paar Hühner in einer Art Offenstall.
Ich mag es, wenn Tiere in meiner Nähe sind und freue mich über ihre Gesellschaft.
Ich dusche (herrlich!!!) und gönne mir dann etwas zu essen und ein eiskaltes Bier. Wunderbar!
Der Gedanke, dass ich die kommende Nacht am Atlantik verbringen werde versetzt mich fast in Euphorie.
Ich grinse und gehe schlafen.

Eintrag in meinem Reisetagebuch am nächsten Morgen, 02.06.2022:
Gestern von Madrid los. Auf dem Weg dorthin von der Policía Nacional Trafico angehalten worden, weil Handy in der Hand. Ich nutze es als Navi, was sie nicht interessiert hat. Die beiden Polizisten sind beide ca. 1, 65 groß und gutaussehend. Dass sie zu mir hinaufschauen mussten, hat meine Situation nicht gerade günstig beeinflusst (glaube ich). Sie treten extrem autoritär und herrisch auf. Wollen mein Auto festsetzen, falls ich nicht bezahle. Ich bin sehr emotional (worüber ich später den Kopf schüttle) und bezahle mit Kreditkarte.
100,- Strafe (sanciónes). Ich habe tatsächlich geheult. Wie peinlich! Naja. Das kommt von der Überlastung und der Trauer, denke ich. Ich bin nachsichtig mit mir.
Ich war tatsächlich ein emotionales Wrack in dem Moment. 5 Tage im Auto sind einfach anstrengend.
Der Platz in Madrid war ok. Zunächst auf Park4Night verlassen und in der Prärie gelandet.
Der Platz hier in Mérida ist etwas abgewrackt, aber sicher und 10,- ok.
Mitten in der Stadt auf Beton wollte ich nicht stehen.
Treffe mich morgen mit T. Hoffe auf einen guten Platz am Meer.
Mache noch ein paar Sonnengrüße und eine Kurzmeditation.
Und dann los!

Reiseblog: Meine Heldenreise – Teil 3

Endlich Meer
St. Jean de Luz, Atlantik –
über die Grenze im Baskenland –
einmal quer durch Spanien bis Madrid

Am nächsten Tag breche ich relativ früh auf und mache mich auf den Weg Richtung Atlantik.
Ich will heute unbedingt das Meer sehen!
Seit meiner Kindheit war ich jedes Jahr am Meer. 2021 das einzige Mal nicht.

Dank der wertvollen Tipps der Lkw-Fahrer komme ich an diesem Tag einigermaßen schnell voran und erreiche tatsächlich mein Ziel ohne Zwischenfälle.

 

In St. Jean de Luz nehme ich eine Tramperin mit. Eine alte Dame um die 70 mit drei großen Einkaufstüten. Sie trägt ein T-Shirt auf dem „Jesus t´aime!“ (= Jesus liebt dich!) steht und eine rote Hornbrille. Sie klettert umständlich auf den Beifahrersitz und schaut sich um. Ich muss erst alles frei räumen. Auf der Beifahrerseite stehen Ersatzwasserkanister.
Gesellschaft hatte ich schon länger nicht.
Ich krame im Hinterkopf nach meinem Französisch.

Ich hatte heute schon einmal eine kurze Unterhaltung. Das war an einer Mautstelle (zum Atlantik kommt man nur über diese Strecke) als mich ein französischer Zollbeamter anhielt und fragte, wohin ich unterwegs sei. Er schien neugierig und fragte mich, ob das mein Wohnmobil sei. „Mon camping-car te plaît, n’est-ce pas ?“ (Mein Wohnmobil gefällt dir, stimmt´s? – Ich habe ihn versehentlich geduzt. Hat ihn nicht gestört).
Er: „Oui, c´est très beau!“ (Ja, es ist sehr schön.)
Ich: „C´est une voiture ancienne.“ (Es ist ein Oldtimer)
Dann konnte ich weiterfahren.

Die alte Dame ist nett. Wir wechseln ein paar Worte, so gut ich es gerade hinbekomme. Ich setze sie vor ihrer Haustüre ab.

Danach finde ich ohne Probleme einen Campingplatz.
Später fällt mir ein, dass ich hier schon einmal war. Das ist über 20 Jahre her. Damals mit meinem ersten VW-Camper „Club Joker“ mit meinem geschiedenen Mann und damals noch kleinen Sohn.

Ich kann es kaum erwarten: Duschen, essen und dann endlich:
Abendspaziergang am Strand! Ich bin happy.

Der Aufenthalt ist nur kurz, der Campingplatz teuer und ich werde -wie so häufig – ein bisschen beäugt und beobachtet. Eine Frau alleine im Wohnmobil ist scheinbar eine Seltenheit.
Ich muss gestehen, dass mir bis heute (ich schreibe dies am 19. Juli 2022) keine andere allein reisende Frau mit Wohnmobil begegnet ist.

Auch hier darf sich endlich etwas verändern.

Ich verlasse auch diesen Platz einigermaßen früh. Für mich ist das meist nicht so ganz einfach, da ich mir für meine morgendliche Yoga- und Meditationsroutine gerne eine Stunde Zeit nehme und im Moment komme ich nicht vor 7:30 aus dem Bett.
Der Platz ist staubig und ich übe mein Schnellprogramm.
Danach geht´s los.

Ich betanke Emma (mir wird regelmäßig schlecht an der Tankstelle! Fast 700,- hat mich die Fahrt bis ans Ziel nach Andalusien gekostet), überprüfe nach einem komplizierten rückwärts Einparkmanöver den Luftdruck und mache mich dann auf den Weg Richtung Hendaye / San Sebastian nach Spanien.

Diese Fahrt wird abwechslungsreich.

Sattes Grün und hügelige Landschaft durch die ich auf Serpentinen hinaufkrieche im Baskenland – die baskische Sprache ist ein Kapitel für sich -, dürre Weite und Hitze im Landesinneren Richtung Madrid.

Während der Fahrt holt mich mein Kopfkino ein und ich darf mich mit Existenzthemen und anderen Emotionen befassen.
Ablenken geht nicht, wenn du 10 Stunden alleine im Auto fährst. Also lasse ich mich darauf ein und probiere meinen Ängsten auf die Schliche zu kommen.
„Vertraue auf deine Intuition und deinen Weg!“, höre ich meine innere Stimme.
Das ist nicht immer einfach, aber darum geht es bei meiner Reise.
Vertrauen in meinen Weg.
Und tun.
Einfach machen.

 

Ich schaffe es bis nach Madrid.

Über die App Park4Night suche ich einen Platz für die Nacht. Ich will nicht in die Großstadt hinein und ende zunächst irgendwo in der Prärie auf staubiger Piste neben einen Aroyo (= Bach). Nachdem ich offenbar weit und breit die Einzige bin die hier übernachten möchte, fahre ich nun doch nach Madrid hinein und finde einen Campingplatz.       
Wow! 500km!
Ich bin fix und fertig.

Kein Tagebucheintrag an diesem Tag.
Zu müde!

Reiseblog: Meine Heldenreise – Teil 2

Endlose Fahrt über Dörfer – 4 Anläufe und ein kleines verstecktes Paradies in Souris: Le Douvet

Geprägt ist dieser Tag von einer endlos scheinenden Fahrt (10 Stunden) bergauf, bergab über Dörfer und sich windende Minilandstraßen. Die Stimmung ziemlich im Keller.

Irgendwo auf einer Raststätte darf ich meine Vorurteile gegen Lkw-Fahrer beschämt revidieren. Ohne deren wertvolle Tipps wären die kommenden Tage sicher ebenso anstrengend geworden.
Dank dieser netten Männer habe ich nicht nur den richtigen Weg gefunden (ab jetzt!), ich habe außerdem während der kompletten 2500 km weniger als 20,- Euro Mautgebühren bezahlt.
Aber das nur nebenbei erwähnt.
Ich hatte jedenfalls die schnelle „Route Expresse“ von Deutschland aus ganz offenbar nicht genommen!

500km haben wir geschafft an diesem Tag, meine Emma und ich.

Physischer & psychischer Zustand, 21:00 Uhr: Ich bin komplett durch.

Und wie als ob meine Geduld bis aufs Äußerste geprüft werden soll, braucht es noch 4 Anläufe um einen Campingplatz zu finden.

Das erste Schild „camping“ führt nach 15 Minuten ins Nichts.
Das zweite ebenso.
Mittlerweile beginne ich zu überlegen, ob ich heulen soll und tue mir leid.
Beim dritten Platz werde ich mitten in der Prärie fündig (Juhuuu!).

Der Platz ist verschlossen. Na super! Ein Mann taucht auf und erklärt mir in Englisch, dass die Besitzerin verstorben sei und der Platz daher geschlossen. Er fügt hinzu, ich müsse aber nur die Straße (welche Straße? Ich bin auf einer Art Waldweg zu ihm gekommen!?) entlang, an der großen Kreuzung links, dann immer geradeaus und dann könnte ich den Platz nicht verfehlen.

Na gut. Dein Wort in Gottes Ohr.

Nach 3 vergeblichen Versuchen, ist meine Hoffnung auf einen entspannten Abend, mit einem Glas Wein vor Emma sitzend und ins Grüne schauend, auf Null gesunken.
Ebenso mein Vertrauen in französische Hinweisschilder bezüglich Campingplätze und diverse andere Wegbeschreibungen.
Merkwürdig ist das schon. Die Franzosen waren für mich immer DAS Campervolk. Als ich nach dem Abi mit einem VW-Käfer auf dem Weg nach Marokko durch Frankreich gefahren bin, gab es an jeder Ecke Campingplätze. Vermutlich befinden die sich alle entlang der Route Expresse.

Eine Wahl habe ich jedenfalls nicht.

Ich schließe kurz die Augen und verbinde mich innerlich. Ich bin bereit für den Platz und er darf jetzt kommen!
Dann fahre ich los.
Nach weiteren 15 Minuten will ich schon aufgeben (Ich gebe zu, im Vertrauen bleiben finde ich gerade herausfordernd) und beginne zu überlegen, wie ich auf dieser engen Straße Emma drehen kann. Sie ist ja kein VW-Käfer.

Da fällt mein Blick auf ein Schild „Le Douvet“. Ein Pfeil weist einen kleinen Weg hinauf.
Ich habe den Platz gefunden.

Es ist herrlich.
Ruhig, idyllisch und wunderschön.
Ein altes Bauernhaus befindet sich inmitten einer grünen Oase aus Weiden, Wildblumenbeeten, 2 Ponys, 2 Esel, Hühnern, einem Hund und einer kleinen Wiese für ein paar Zelte, Wohnwagen oder Wohnmobile.

Ansonsten: Nichts.

IMG_0791         (kleine Hörprobe!!)

Ein niederländisches Paar hat das Haus hergerichtet und vermietet dort Zimmer. Die Stellplätze laufen nur nebenbei, wie mir der Mann am nächsten Morgen erklärt. Leider habe ich seinen Namen vergessen.
Als ich nach einer Dose Linseneintopf und einem Glas Wein ins Bett falle, höre ich außer dem Zirpen der Grillen NICHTS.
Ein Paradies.

Eintrag in meinem Reisetagebuch am 30.05.2022:
Nach 4 Versuchen endlich auf einem Campingplatz gelandet. Le Douvet.
Was für ein Tag! Ich bin fix & fertig und den Tränen nahe. Manchmal ist Alleinsein eine Herausforderung.
Gelernt:
– LKW Fahrer sind Schätzchen und mega hilfsbereit
– La Route Nationale führt von Mulhouse nach Bordeaux
-Ich bin sehr stark und darf stolz auf mich sein
– Ich liebe Esel
– Emma ist sowieso die Beste.

Reiseblog: Meine Heldenreise – Teil 1

Start Rottendorf – Karlsruhe – Eaux Puiseaux

Heute sind es genau 5 Wochen, dass ich mit meinem Wohnmobil unterwegs bin. Es erscheint mir viel länger, besonders in Anbetracht der Prozesse durch die ich innerlich gegangen bin. Vielleicht aber har sich auch nur mein Zeitgefühl verändert.

Gestartet bin ich am Freitag, 27. Mai 2022.
Ursprünglich sollte es am Vatertag los gehen, in Gedenken an meinen Vater, der sich ohne Vorwarnung am 20. März aus diesem Leben verabschiedet hatte.

Insgesamt lagen 2500 km vor mir und Emma, meiner 30jährigen Wohnmobildame.
Nachdem ich am 08. Juni einen Termin in Algeciras bei der Policia Nacional hatte, waren 400 km täglich geplant.
Das klingt nach nicht allzu viel. Ist es aber, wenn du mit einem Wohnmobil unterwegs bist. Vor allem, wenn du mautpflichtige Straßen vermeiden möchtest. In Frankreich und Spanien ist das Autobahnfahren ziemlich geldintensiv.

Mein erster Stopp war Karlsruhe. Ein Wohnmobilstellplatz am Rhein, den ich spätabends gegen 23:00 Uhr erreichte.

Yoga am Fluss am Morgen. Danach Weiterfahrt Richtung Frankreich. Alles unspektakulär und easy.

Die zweite Etappe wurde dann schon anstrengender.

Warum genau, wurde mir erst einige Tage später klar, als mich – irgendwo auf einem Rastplatz auf einer mautfreien Autobahn in Frankreich – drei LKW-Fahrer aus Rumänien und Deutschland darüber aufklärten, dass ich mich auf der falschen Route befand.
Wir kamen ins Gespräch, als ich 20l Diesel aus meinem Ersatzkanister einfüllen wollte. Der eine (ein Rumäne) nahm ihn mir aus der Hand und befüllte Emma, der andere (ein Deutscher) fragte mich, was ich denn in dieser Ecke bzw. auf dieser Straße suche.

Ursprünglich hatte ich geplant auf der „Route Expresse“ von Mulhouse direkt über mautfreie RN (= Route Nationale) nach Bordeaux zu kommen. Da ich allerdings über Karlsruhe nach Frankreich gefahren war, hatte ich sie verpasst und gondelte dann „über Land“. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Bergauf, bergab…über Dörfer und Käffer, kleine und schmale Straßen. Langsam.
Zu guter Letzt landete ich am Ende des 2. Tages auf einem Dorfcampingplatz bei einem Bauernhof in Eaux-Puiseaux, irgendwo zwischen Straßbourg und Orléans.

 

Während ich dies schreibe, sitze ich vor meinem Wohnmobil in der Nähe von Loja (Granada) und blicke auf Olivenhaine umgeben von roter Erde.
Eine deutsche Familie hat hier ein Anwesen gemietet und bietet Gleichgesinnten die Möglichkeit ein Zuhause zu finden. Ihr Ziel ist es gemeinsam mit anderen Menschen einen Ort zu schaffen, an dem alle frei, respektvoll und in liebevollem Miteinander (zusammen-)leben können.
Ich finde dies, gerade in Anbetracht der letzten beiden Jahre, interessant.

Es interessiert mich schon immer wie Menschen denken, fühlen und leben. Auch ich bin auf der Suche nach einem Lebenskonzept das zu mir passt.
Mir entspricht. Mich glücklich macht.
Frei, natürlich und selbstbestimmt.

Ich habe mich seit Beginn meiner Reise verändert.
Ich bin entspannter. Vertraue dem Leben und meinem Weg mehr.
An diesem Punkt stand ich zu Beginn der Reise nicht.
Damals ließ ich mich schnell von Existenzängsten und anderen Bedenken aus der Ruhe bringen.
Ich war geprägt von den Vorstellungen, wie „man“ eben so lebt.
Leben soll und sollte.
Weil es normal und anerkannt ist.

„Was wird werden?“, „Finde ich einen Job?“, „Wovon werde ich leben?“
Sehr häufig kreisten meine Gedanken um diese Fragen.

Das ist anders geworden.
Letztendich entwickelt sich alles wie es soll.
Ängste und Kopfkino könnte ich mir demnach eigentlich gleich sparen.

Wenn das nur immer so leicht wäre.
Ich übe und bin dankbar.